Die AfD fordert den Rücktritt der baden-württembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras

Ein Deutscher fühlt Gedenkkultur

Die baden-württembergische AfD-Fraktion fordert den Rücktritt der Landtagspräsidentin. Diese hatte geschichtsrevisionistische Aussagen der rechtsextremen Partei kritisiert.

Die AfD im baden-württembergischen Landtag ist hartnäckig. Bereits Anfang August hat sie den Rücktritt der Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Bündnis 90/Die Grünen) gefordert, in der vergangenen Woche bekräftigte sie dies. Auf einer zweitägigen »Gedenkstättenreise« hatte sich Aras Ende Juli den Zorn der rechtsradikalen Partei zugezogen. Von »70 weitgehend von engagierten Bürgern getragenen Gedenkstätten, die in unterschiedlicher Form die Verfolgung jüdischer Mitmenschen in der Zeit des Nationalsozialismus im Gedächtnis halten«, wie es in einer offiziellen Pressemitteilung hieß, hatte sie fünf besucht: in Kippenheim, Emmendingen und Breisach, Haslach im Kinzigtal sowie das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im französischen Elsass.

»Gerade ein so brutaler und tiefer Einschnitt wie der Holocaust ist eben kein Vogelschiss, den man vom glänzenden Lack ›made in Germany‹ abwischen kann.« Wegen dieses Satzes fordert die Fraktion der AfD im baden-württembergischen Landtag Aras’ Rücktritt als Landtagspräsidentin.

Während einer Festveranstaltung im Rathaus Emmendingen hatte sich Aras deutlich gegen einen »Schlussstrich« in der Erinnerungspolitik ausgesprochen. In Anspielung auf die Äußerung des AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland, Hitler und die Nazis seien nur ein »Vogelschiss in über 1 000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte«, hatte sie zudem gesagt: »Gerade ein so brutaler und tiefer Einschnitt wie der Holocaust ist eben kein Vogelschiss, den man vom glänzenden Lack ›made in Germany‹ abwischen kann.«

Wegen dieses Satzes fordert die Fraktion der AfD im baden-württembergischen Landtag Aras’ Rücktritt als Landtagspräsidentin. »Im Grunde erleben wir hier nur wieder eine Migrantin aus einer anderen Kultur und Geschichte, die auf dem Ticket eines angeblich ewigen deutschen Rassismus in eine pri­vilegierte Stellung reiten will«, schrieb der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Emil Sänze in einer Pressemitteilung Ende Juli. Er warf »Menschen wie Frau Aras« vor, sie wollten »uns Deutschen die gesellschaftliche Wirklichkeit diktieren«. Die Landtagspräsidentin versuche, »den deutschen NS-Schuldkomplex wieder für ihre politische Migranten-Gesellschaft-Agenda« (sic!) zu instrumentalisieren. In einem Gespräch mit der FAZ sprach Sänze Aras wegen ihrer türkisch-alevitischen Herkunft ab, jemals in Deutschland »voll integriert« zu sein. »Wir Deutsche«, so Sänze, seien »für Gefühle in der Gedenkkultur« zuständig. Seine Definition des Deutschseins lieferte der Politiker gleich mit: »Den Deutschenbegriff fasse ich da sogar weiter, unsere historischen Grenzen waren ja weiter.«

Vier von 20 Abgeordneten der AfD im Stuttgarter Landtag distanzierten sich von Sänzes Presseerklärung, sie sei »nicht von der Fraktion autorisiert« und »unangemessen« gewesen. Das beeindruckte den Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, wenig. Er sagte der Heilbronner Stimme: »Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag gleitet immer mehr nach rechts ab.« Er erkenne mittlerweile »keinen Unterschied mehr zur NPD«. Eine von der AfD beantragte Sondersitzung des Landtagspräsidiums zu Aras’ Aussage lehnte das Gremium vor drei Wochen ab.

Eine weitere geschichtspolitische Intervention aus dem Umkreis der AfD wurde vorvergangene Woche bekannt. Dem Tagesspiegel zufolge provozierte eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis der AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alice Weidel Anfang Juli in der Gedenkstätte Sachsenhausen während einer Führung mit »manifest rechten und geschichtsrevisionistischen Einstellungen und Argumentationsstrategien«, wie der Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Horst Seferens, sagte. Die Führung musste schließlich abgebrochen werden. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten bestätigte, dass sich unter den 17 Teilnehmern aus dem Südwesten der Republik fünf bis sechs Personen befunden hätten, die die Ver­anstaltung »permanent unterbrachen und störten«. Mehrere Besucher hätten die Existenz von Gaskammern in Zweifel gezogen, die Verbrechen im KZ Sachsenhausen durch Vergleiche mit angeblichen Verbrechen der Alliierten relativiert und dem Mitarbeiter der Gedenkstätte mangelnde Kompetenz und Manipulation unterstellt. Mittlerweile befassen sich auch die Behörden wegen des Verdachts der Volksverhetzung mit dem Vorfall. Dem Tagesspiegel zufolge fällt es den Ermittlern jedoch schwer, diesen zu rekonstruieren. Die Teilnehmerliste der Führung wurde aus Datenschutzgründen vernichtet.