Das Medium - Spiegel vs. die Realität

Relotius Reloaded

Kolumne Von

Die winterliche Dämmerung begann gerade, sich bleischwer über die große Stadt zu legen, als die in die Lektüre des Spiegel-Geschwurbels über die aufgeflogenen Fälschungen des Autoren Claas R. versunkene Frau plötzlich hochschreckte.

Journalismus, hmmm, war da nicht noch was? Gedankenverloren schaute sie auf die runde schwarze Uhr mit den goldfarbenen römischen Ziffern, die bereits im Wohnzimmer ihrer Eltern gehangen hatte. Um wie viel schöner waren deren sich unermüdlich durch die Zeit arbeitenden Zeiger doch im Vergleich mit den kaltgrün leuchtenden Zahlen einer Digitaluhr, die sie kürzlich im Sortiment eines Warenhauses entdeckt hatte. Die Frau seufzte melancholisch. Zeit für einen Kaffee. Die Frau stand auf und ging kuschelsockenleise über den präzise verlegten hellen Parkettboden. »I used to pray for times like this«, summte sie leise, während sie mit geübtem Griff den hochwertigen, auf einem geschmackvollen Sechziger-Jahre-Cromargan-Tablett stehenden Kaffeeautomaten in den Betriebszustand versetzte. Nie tranken die ausgedachten Protagonisten des Fälschers R. in seinen Reportagen Kaffee, dachte die Frau, daran allein hätte man ja schon merken müssen, dass irgendetwas nicht stimmte. Hatte das denn niemand zuvor bemerkt? Dafür summten oder sangen all diese Menschen andauernd irgendwelche Liedchen, hatte man beim Spiegel festgestellt, woran ja aber eigentlich nichts falsch war, denn Leute machten nun einmal generell gerne und oft Geräusche. Zurück am Schreibtisch setzte die nachdenklich gewordene Frau die Lektüre fort. Und begann sie, am Ende des Textes angekommen, gleich wieder von vorn.

Irgendwo in dem ganzen verdammten Geschwurbel mussten doch die Fakten stehen, da war sie ganz sicher. Seufzend nahm sie einen tiefen Schluck des duftenden Edelkaffees. Wo war sie stehengeblieben? Ach ja, die Fakten.