Die EVP berät über den Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz

Streit in der EVP

Die Europäische Volkspartei berät auf Antrag von einem Dutzend Mitgliedsparteien über den Ausschluss der ungarischen Regierungs­partei Fidesz. Diese hetzt mit Plakatkampagnen gegen EU-Institutionen und Migration.

»The dictator is coming.« Mit diesen Worten hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Viktor Orbán 2015 halb scherzhaft beim EU-Gipfel in Riga begrüßt. Schon damals war sein Verhältnis zum ungarischen Ministerpräsidenten angespannt. Orbán hatte gerade in Ungarn seine Macht durch Verfassungsänderungen ausgebaut und sich zudem mit einem an alle ungarischen Haushalte verschickten Fragebogen bei der EU unbeliebt gemacht. »Manche Menschen glauben, dass die Ausbreitung des Terrorismus mit Brüssels mangelhaftem Management der Migration zu tun hat. Sind Sie auch dieser Meinung?« wollte Ungarns Regierung damals unter anderem von ihren Bürgerinnen und Bürgern wissen.

Verbessert hat sich das Verhältnis Orbáns zur EU-Kommission seither nicht. Im Februar ließ Ungarns Regierung im ganzen Land Plakate aufhängen, auf denen Juncker feist grinsend abgebildet ist, im Hintergrund nicht weniger unvorteilhaft der US-amerikanische Investor George Soros. »Auch Sie haben ein Recht zu wissen, was Brüssel vorhat«, steht groß auf den Plakaten. Im darunterstehenden Text werden Juncker und Soros bezichtigt, illegale Migration zu fördern.

Es war offensichtlich diese Plakatkampagne, die die Europäische Volkspartei (EVP), der Orbáns Partei Fidesz angehört, zum Handeln zwang. Dabei dürfte es vor allem am Zeitpunkt der Kampagne und weniger an deren inhaltlicher Ausrichtung liegen, dass der Konflikt innerhalb der EVP dieses Mal tatsächlich zu eskalieren droht. Ende Mai sind Europawahlen und die christdemokratischen Parteien, die Mitglieder der EVP sind, geraten in Rechtfertigungsnöte.

Mindestens zwölf der EVP angehörende Parteien haben nun beantragt, gegen Fidesz ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Es ist das erste Mal, dass das für eine solches Prozedere erforderliche Quorum erfüllt wird. »Dieses Mal schaffen wir’s. Fidesz wird rausfliegen«, ist Frank Engel überzeugt. Der Abgeordnete des Europaparlaments ist Vorsitzender der Christlich Sozialen Volkspartei (CSV) aus Luxemburg, die sich seit längerem dafür einsetzt, dass sich die EVP von Fidesz trennt.

»Wenn Fidesz jetzt nicht rausfliegt, wird es die EVP so nicht mehr geben.« Frank Engel, Vorsitzender der CSV

Zu denen, die Fidesz aus der EVP ausschließen wollen, gehören auch die belgischen Christdemokraten, die griechische Nea Dimokratia, die niederländische CDA und die portugiesische PSD. Im Ausschlussverfahren, über das während eines parteiinternen Treffens am 20. März entschieden wird, könnten die Stimmen von CDU und CSU ausschlaggebend sein. Denn die beiden deutschen Parteien stellen die größte Delegation.

Noch hat man sich dort nicht festgelegt. Manfred Weber (CSU), den die EVP als Spitzenkandidaten in die Europawahlen schickt, tut sich schwer damit, sich von Fidesz abzugrenzen. Das liegt in erster Linie daran, dass er viele ihrer Positionen teilt. Man solle Ungarn nicht kritisieren, sondern Politiker unterstützen, die bereit sind, die EU-Außengrenzen zu schützen, sagte Weber im März 2018, als er nach Budapest fuhr, um Orbán im nationalen Wahlkampf beizustehen.

Der ungarische Ministerpräsident hat indessen wiederholt betont, Fidesz wolle in der EVP bleiben. »Sie ist unsere politische Heimat«, sagt auch György Schöpflin, ein Europaabgeordneter der Fidesz. Man teile immer noch dieselben Werte. Die jüngste Plakatkampagne steht für den ehemaligen BBC-Journalisten nicht im Widerspruch dazu: »Juncker wird hier als Kommissionspräsident und nicht als EVP-Mitglied attackiert.« Und dessen Kommission setze sich nun einmal dafür ein, dass noch mehr Migranten in die EU kommen. »Damit haben viele EU-Bürger ein Problem«, so Schöpflin.

Derzeit stellt Fidesz elf der 217 Abgeordneten der EVP im Europaparlament. Prognosen zufolge wird die ungarische Partei bei den Wahlen im Mai dazugewinnen. Doch das könnte bei den derzeitigen strategischen Überlegungen innerhalb der EVP eher zweitrangig sein. Denn ohnehin steht fest, dass, egal wie dieser Konflikt ausgeht, die EVP geschwächt in den Wahlkampf ziehen wird. »Wenn Fidesz jetzt nicht rausfliegt, wird es die EVP so nicht mehr geben«, meint etwa Engel (CSV). Nicht nur seine Partei, auch andere würden dann ihre Mitgliedschaft in der EVP in Frage stellen »Für die Parteien, die jetzt auf Distanz zur Fidesz gehen, gibt es keinen Weg zurück«, so Engel.

Derweil arbeitet Orbán an einem Plan B. Im nächsten Europaparlament könnte sich Fidesz mit der polnischen Regierungspartei PiS in der Fraktion der euroskeptischen Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) zusammenfinden, der bislang noch die britischen Konservativen angehören. Ob zudem ein Zusammenschluss etwa mit der italienischen rechten Partei Lega oder der Freiheitlichen Partei Österreichs stattfinden könne, sei unklar, so Schöpflin. Die Parteien könnten sich jedoch punktuell zusammentun und Mehrheitsbildungen erschweren.

Ein Einlenken der Fidesz im Konflikt mit der EVP ist jedenfalls nicht zu erwarten. Webers Ultimatum, die ungarische Regierung solle sich bis zum 20. März entschuldigen und ihre Kampagne beenden, stößt auf taube Ohren. »Die Plakataktion wird weitergehen«, kündigte Schöpflin an. Zwar sollen die Poster mit Junckers Konterfei bis zum 15. März abgehängt werden. Geplant ist jedoch eine Fortsetzung der Kampagne, die sich dann auf Frans Timmermans, den ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission und Spitzenkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), konzentrieren wird.