»Neues Hambacher Fest«

Für das deutsche Vaterland

Zum zweiten Mal fand das »Neue Hambacher Fest« statt. Rechte CDU-Mitglieder und AfD-Anhänger demonstrierten Einigkeit.

Es ist heiß am Freitagnachmittag im rheinland-pfälzischen Hambach. Auf ­einem Parkplatz haben sich etwa 400 Menschen versammelt, die meisten ­älter als 40 Jahre. Viele schwenken Deutschland-Fahnen. Manche tragen Trekking-Sandalen und Käppis. Schwarz-Rot-Gold dominiert. Hier findet das »Neue Hambacher Fest« statt.

Der Veranstalter Max Otte greift schließlich auf einer Bühne zur Gitarre und stimmt die Nationalhymne an. Ein Teilnehmer mit schwarz-rot-goldenem Fischerhut ruft lachend: »Welche Strophe denn?« Dann stimmen alle mit ein. Sie singen die dritte Strophe.

Die Kundgebung endet mit den Rufen »Merkel muss weg«, ein rauer Wind lässt die Deutschland-Fahnen flattern.

»Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland« – das ist es auch, was die Teilnehmer des »Neuen Hambacher Fests« fordern. Otte und seine Anhänger sehen die Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland bedroht. »Es herrschen zensurähnliche Zustände«, sagte Otte 2018 in ­einem Interview. Also wollen die hier Versammelten es so machen wie damals beim historischen Hambacher Fest von 1832 – hoch zum Schloss wandern und gegen die politischen Zustände demonstrieren. Für den Tag darauf hat Otte den prunkvollen Saalbau in Neustadt gemietet, um dort den »Kongress für Frieden und Sicherheit in Europa« abzuhalten.

Otte ist Fondsmanager, CDU-Mitglied und Anhänger der »Werteunion«, die sich selbst als »konservativen Flügel der CDU/CSU« bezeichnet. Nationalkon­servativ wäre eine präzisere Bezeichnung, und auch eine Nähe zum Rechtspopulismus ist vorhanden: 2017 bekannte Otte beispielsweise öffentlich, bei der Bundestagswahl die AfD wählen zu wollen. Zudem ist er seit einem Jahr Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Auf der Bühne in Hambach sagt Otte zur allgemeinen Erheiterung, die Dienstsprache beim gebuchten Busunternehmen sei mittlerweile Bulgarisch. Er dankt der Polizei, die den Marsch begleitet. Bei ihr bedankt er sich gerne und häufig.

Die »Patriotenwanderung«, wie der Marsch zum Schloss offiziell heißt, ­beginnt. Einem Polizisten, der die Veranstaltung dienstlich begleitet, scheint sie zu gefallen. Er plaudert mit einem Teilnehmer beim Aufstieg zum Schloss und sagt, dass die Partei, die er gerne wählen würde, verboten sei. Dann lacht er.

Anders als im vergangenen Jahr trifft keine von Gegendemonstranten geworfene Gülle die Teilnehmer. Warum es dieses Mal keine Gegendemonstra­tion gab, erläutert Otte tags darauf auf dem Kongress. »Eigentlich sollte gleichzeitig mit unserer Wanderung eine Tanzdemo stattfinden, doch die wurde verboten, da bestimmte Tiere gerade in der Brutzeit sind«, sagt er und fügt süffisant hinzu: »Man achtet eben penibel auf Gesetze und das ist auch gut so.«

Die Wanderung führt nicht bis nach ganz oben zum Schloss, sondern nur bis zu einem unterhalb liegenden Parkplatz. Dort steht zufällig ein Brautpaar. »Da hat sich die Braut aber einen schönen Bräutigam ausgesucht«, sagt ein Teilnehmer spöttisch. Er glaubt offenbar, an dem Gesicht des Bräutigams ­erkannt zu haben, dass es sich nicht um einen autochthonen Deutschen handelt. Auf dem Parkplatz gibt es noch eine Kundgebung. Erneut wird die Nationalhymne gesungen, wieder werden Lieder und Zitate vom historischen Hambacher Fest ausgepackt.

Demonstrativ beziehen sich die patriotischen Spaziergänger auf die Ereignisse des Jahres 1832. Otte beruft sich insbesondere auf Philipp Jakob Siebenpfeiffer, den Juristen und Journalisten, der das historische Fest initiierte, auf dem neben der Forderung nach bürgerlichen Freiheiten, einem Ende der ­Zensur und dem Zurückdrängen der Restauration auch der Franzosenhass und der nationalistische Furor grassierten. Die Kundgebung endet mit den Rufen »Merkel muss weg«, ein rauer Wind lässt die Deutschland-Fahnen flattern.

Dann geht es wieder bergab. Gesprächsfetzen dringen ins Ohr: »Heimatliebe ist kein Verbrechen«, ­»Unrecht war schon immer links«, »Grün ist keine Ordnung, sondern Chaos«. Eine Frau, die sich als Anhängerin der AfD zu erkennen gibt, unterhält sich mit einem jüngeren Mann in Lederhosen, der nach ­eigenen Angaben der Jungen Alternative (JA) angehört, über Feminismus und »Gender« – das englische Wort sprechen beide mit einem deutschen G aus. »Wenn die Feministen das Patriarchat abgeschafft haben, was machen die dann? Na, arbeiten werden sie bestimmt nicht!« sagt die Frau aufgebracht. Der Mann in der Lederhose erzählt daraufhin von einer JA-Veranstaltung in Heidelberg. Da sei der Gegenwind immer stark. Aber das sei auch kein Wunder, denn die Demonstranten von der Antifa würden ja für ihren Protest bezahlt.

Mit Verschwörungstheorien geht es am nächsten Tag auf dem Kongress weiter. »Deutschlands Wiedergeburt«, steht auf einer riesigen Deutschland-Fahne auf dem Podium geschrieben. Es gibt keine Rednerinnen, nur Redner. Der Schweizer Daniele Ganser ist einer der geladenen Referenten. Er erntet den lautesten Applaus. Der Historiker und Publizist ist besonders für seine Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 bekannt. In einer Powerpoint-Präsentation versucht er, alle großen Kriege als illegal und Barack Obama sowie Winston Churchill als Kriegsverbrecher zu entlarven. Kein schlechtes Wort verliert er über Donald Trump und Wladimir Putin. »Lüge und Täuschung gehören zur internationalen Politik«, sagt Ganser, man müsse immer selbst nachdenken.

Auffällig ist, dass sich Ganser und die anderen Redner keine sprachlichen Ausfälle erlauben und um möglichst unverfängliche Formulierungen ringen. So wird vom Podium verkündet: »Gesunder Menschenverstand ist nicht rechts, aber die Unfreiheit ist links.« Den proklamierten Kampf ­gegen »political correctness« führen die Redner zumindest auf diesem Kongress politically correct.

Auch der Ökonom Markus Krall betritt an diesem Tag die Bühne, um ­seine Meinung kundzutun. »Wäre Hambach ein Bundesland«, sagt er, »würde es Sachsen heißen.« Für diese Aussage gibt es stehende Ovationen. Und auf den Tod von Daniel H. und die darauffolgenden Ausschreitungen im ver­gangenen Jahr anspielend: »Chemnitz hat uns gezeigt, dass die linke Antifa nur auf einem Lügengerüst baut.« Sowie: »Kriechen vor Obrigkeiten, diese Haltung wollen uns Linke verkaufen.« Auch dafür gibt es Applaus.

In der Nähe des Saalbaus veranstaltet das örtliche Bündnis gegen rechts ein Demokratiefest gegen den Kongress, das sich gegen den vermeintlichen Missbrauch des Gedenkens an das Hambacher Fest von 1832 richtet. Auch hier wird das Lied von Siebenpfeiffer gesungen: »Hinauf Patrioten, zum Schloss, zum Schloss!«