Abgehängte Regionen in Deutschland

Kommunal, regional, scheißegal

Seite 2 – Apologeten der Austeritätspolitik

Dazu kommt die von der AfD parlamentarisch repräsentierte rechte ­Massenbewegung, die bei den im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die bisherigen Machtverhältnisse grund­legend zu verändern droht. In Anlehnung an die Parole »Integriert doch erstmal uns« – so der Titel einer Streitschrift der sächsischen Ministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping (SPD) – wird das häufig als ­Sozialprotest der Bewohner abgehängter Landstriche interpretiert, auf den die Politik mit sozialen Maßnahmen reagieren müsse.

Und drittens eskaliert die Wohnungsnot in den Großstädten derart, dass das Reden über die Enteignung von Immobilienbesitz nicht mehr tabu ist. Starke Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse der großen Wohnungsunternehmen könnten das Problem zwar ­lösen, gehören aber keinesfalls zu den bevorzugten Mitteln der Regierenden. Deshalb kursieren andere Überlegungen: Ein attraktiverer ländlicher Raum könnte eventuell die städtischen Wohnungsmärkte entlasten.

Im Herbst hatte die Bundesregierung die Kommission »Gleichwertige ­Lebensverhältnisse« unter dem Vorsitz von Seehofer, Klöckner und Giffey eingesetzt. In sechs Fachgruppen sollte über kommunale Altschulden, Wirtschaft und Innovation, Raumordnung und Statistik, technische Infrastruktur, soziale Daseinsvorsorge, Arbeit und Teilhabe diskutiert werden, um Empfehlungen für die Bundesregierung zu entwickeln. Was Giffey, Seehofer und Klöckner jüngst präsentierten, ist jedoch keinesfalls ein großer Wurf. Der »Plan für Deutschland« besteht aus einer Reihe von Schlussfolgerungen, von denen wohl die banalste ist, dass es gleichwertige Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik nicht gebe. Unterschiede zwischen Stadt und Land werden angeführt, aber auch zwischen »prosperierenden Städten« und »schwierigen Vierteln«. Als Ursachen für diese Unterschiede werden der demographische Wandel, die Globalisierung, die Digitalisierung und die Nachwirkungen der deutschen Teilung benannt.

Während auch kulturelle Faktoren wie die »stärkere Individualisierung« ­sowie eine »zunehmende Vielfalt an Lebensstilen und Formen des Zusammenlebens« als Ursachen erwähnt werden, kommen die Folgen der Spar- und Privatisierungspolitik der vergangenen 25 Jahre nicht zur Sprache, die unter anderem die Kommunen ­getroffen haben. Mit der Privatisierung von Post und Bahn, Kürzungen im Bildungs- und ­Gesundheitswesen und dem Zusammenlegen von Verwaltungseinheiten wurde in etlichen ländlichen Regionen nicht nur an der technischen und administrativen Infrastruktur gespart, es werden Grundlagen der gesellschaftlichen Versorgung nahezu abgeschafft. Anders als es die Propaganda der AfD und anderer Rechtspopulisten darstellt, tragen dafür nicht »linke Gutmenschen« und zwischen internationalen Metro­polen umherfliegende »urbane Eliten« die Verantwortung, sondern maßgeblich die Apologeten der Austeritätspolitik und des freien Marktes aus Union, SPD und FDP.