Was normal ist
Als der Schweineschlachtmilliardär, Cum-Ex-Profiteur und Schalke-Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies Anfang des Monats wegen rassistischer Äußerungen öffentlich kritisiert wurde, schien es erst, als funktioniere der bei solchen Vorfällen übliche Ablauf halbwegs: Jemand sagt etwas Rassistisches oder Sexistisches, der Teil der deutschen Gesellschaft, der sich an solchen Dingen stört, erregt sich öffentlich, und anschließend macht der Erwischte aus PR-Gründen irgendwelche Zugeständnisse – Rücktritt, Karriereeinbußen oder wenigstens eine Entschuldigung, die so klingt, als wäre sie ernst gemeint.
Rechtspopulisten halten solche Vorgänge für autoritär. Sie haben nicht völlig unrecht. Regelverstöße müssen sanktioniert werden, anders geht es nicht. Auf diese Weise werden die ethischen und politischen Minimalstandards einer Gesellschaft durchgesetzt – Standards, die nicht einfach der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung« entsprungen sind, auf die die selbstzufriedene Mitte so stolz ist, sondern die linke Quälgeister über Jahrzehnte hinweg gegen die deutsche Mitte erkämpft haben.
Selbstverständlich lässt sich über jeden konkreten Fall streiten, auch über die Frage der Verhältnismäßigkeit. Aber im Allgemeinen gilt: Gut zureden, liebevoll mahnen oder freundlich schweigen – das funktioniert nicht. Konservative sollten das eigentlich verstehen, wenn sie wirklich an das glaubten, was sie in weihevollen Momenten von sich geben: dieses Gerede vom »realistischen Menschenbild« und der sich daraus ergebenden Einsicht, dass die Menschen Institutionen und Normen brauchten, damit eine Gesellschaft funktioniert. Nur zeigt sich immer deutlicher, dass real existierende Konservative an ganz andere Dinge glauben: an das Recht der Mehrheit und der Starken zum Beispiel; das Recht auf Rohheit, auf Machtausübung, auf Rücksichtslosigkeit.