Der Fleischkonzern Tönnies geht juristisch gegen seine Kritiker vor

Protest gegen die Knochenarbeit

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»Jour Fixe« hatte bereits im Januar auf die Lage von Arbeitern in einem Tönnies-Betrieb bei Hamburg aufmerksam gemacht. Anschließend wurde die Gruppe von den Medienanwälten des Konzerns verklagt. Auf einer von der Gewerkschaft NGG organisierten Veranstaltung Anfang September in Weißenfels bei Leipzig berichteten polnische Arbeiter dem MDR zufolge von der Umgehung des Mindestlohns und unbezahlten Überstunden im dortigen Tönnies-Betrieb. Auch von Gewalt war die Rede. Doch nur wenige Arbeiter sprachen öffentlich – auch aus Angst, ihre Stelle zu verlieren, so die Gewerkschaft.

Auch gegen die »Aktion gegen Arbeitsunrecht« erwirkte die Medienrechtskanzlei Schertz-Bergmann eine einstweilige Verfügung, um manche Aussagen über Tönnies zu unterbinden. Elmar Wigand, der Pressesprecher des Vereins, gab sich im Gespräch mit der Jungle World jedoch unbeeindruckt: Man habe Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Den anstehenden Prozess wolle der Verein nutzen, um noch mehr Aufmerksamkeit auf die Missstände bei Tönnies zu lenken. Um die Vorwürfe gerichtsfest zu belegen, sammle der Verein noch mehr Zeugenaussagen betroffener Arbeiter.
Viele Aussagen darf der Verein in der Zwischenzeit weiterhin öffentlich verbreiten. So kann er Tönnies nach wie vor Folgendes vorwerfen: »massiven Missbrauch von Werkverträgen, Förderung einer kriminogenen Ökonomie durch Subunternehmer, Tochterunternehmer und Zulieferer, brutale Ausbeutung von Bulgaren, Rumänen und anderen Wanderarbeitern, unmenschliche Wohnverhältnisse«. Auch von »union busting« spricht der Verein, denn bei Subunternehmern beschäftigte Werkvertragsarbeiter hätten weder einen Betriebsrat noch eine ­gewerkschaftliche Vertretung.

In Rheda-Wiedenbrück schien am Sonntag allerdings die Welt in Ordnung zu sein. Tönnies veranstaltete ein »buntes und vielfältiges Wochenende« mit einem Familienfest, das etwa 15 000 Besucher anlockte. »In Begleitung seiner Frau Margit schaute der Unternehmenschef an den Imbissständen auf seinem Firmengelände vorbei, wurde überall freundlich begrüßt und zum Probieren der landestypischen Spezialitäten eingeladen«, berichtete eine Lokalzeitung. Die Tradi­tionsmannschaft von Schalke 04 beehrte das Fest mit einem Spiel gegen die Tönnies-Werkself.