Cocolumne über Methangase und Deutschland im Oktober

Harte Hunde

Kolumne Von

Bald ist wieder Tag der Deutschen Einheit, diesmal finden die Feierlichkeiten unter dem Motto »Mut verbindet« in Kiel statt. Daniel Günther, der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, kann das auch ­erklären: »Es braucht Mut, bei Sturmflut den Deich zu reparieren oder mit dem Seenotkreuzer auszulaufen. Es braucht Mut, sich gegen ein Unrechtsregime aufzulehnen und für die Freiheit zu kämpfen.« Jedem Bundesland seinen Mut! Und jedem Deutschen ­seinen Baum. Denn jeder möge außerdem, heißt es, einen Baum pflanzen am 3. Oktober. Motto: »Einheitsbuddeln«. Für ein Volk wie ein Wald. Nun ja, immerhin gut fürs Klima – anders als das gleich­zeitig stattfindende Oktoberfest im Süden der Republik: Fünfmal höher als sonst ist der Methanausstoß in München zur »Wies’n«-Zeit, haben Forscher gemessen. Woran es liegt, weiß man nicht genau. Unter Verdacht stehen Abwasser, Gasgrills und Heiz­strahler.

Sorgen machen uns 30 Jahre nach dem Mauerfall aber nicht nur die Nord- und Süddeutschen, sondern auch die Ossis. Coco ist ja ein Ossi. In Brandenburg geboren, lebt sie in Ostberlin. Nicht einmal von einem Migrationshintergrund kann die Rede sein, obwohl sie ein »Italienischer Wasserhund« ist. Pass und Name sagen eben nichts aus. Coco macht mir zwar auch manchmal Sorgen, aber alles in allem ist sie ein ganz bezaubernder Ossi.

Zeit für eine Mauerfallgeschichte. Coco hat keine, aber meine geht so: Am 9. November 1989 kam ich in Berlin zufällig an der gerade fallenden Mauer vorbei. Am nächsten Tag erlebte ich dann die Zusammenfassung der folgenden 30 Jahre an nur einem Abend: Erst am Schöneberger Rathaus – Helmut Kohl, Willy Brandt, Walter Momper, Hans-Dietrich Genscher werden von etwa 20 000 Menschen ausgebuht, als sie die Nationalhymne anstimmen. Dort kursiert allerdings bereits das Gerücht, dass sich am Brandenburger Tor Nazis versammeln. Wir also hin. Dort greifen Skinheads unsere improvisierte Mini-Antifa-Demo an, Burschenschafter sitzen auf der dort sehr breiten Mauer und bewerfen uns mit Bierflaschen. Anschließend muss ich noch an den Ku’damm, weil ich einen Wohnungsschlüssel bei einer Freundin abholen muss, die unbekümmert von allem Mauerfall dort im »Linientreu« zu Depeche Mode tanzt. Als ich also spät abends am Ku’damm ankomme, sehe ich: das Volk. Ein Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen, dauerhupende Autos, Menschenmassen, alle besoffen von Bier und Nation. Ein großer Rausch, Oktoberfest hoch zehn. Man will gar nicht wissen, was da an Methan rausging. Somit war mir schon, als ich am 10. Oktober 1989 nachts ins Bett ging, völlig klar, wie es kommen würde – und siehe da, genauso kam’s.

30 Jahre später pflanzen wir mutig Bäume. Und während im Osten die Nazis nach der Macht greifen, warten wir auf die nächste Sturmflut, um unsere Tapferkeit unter Beweis zu stellen. Oktober in Deutschland.