Evangelikale US-Amerikaner drohen mit Bürgerkrieg

Der große Verrat

Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump drohen für den Fall eines erfolgreichen Amtsenthebungsverfahrensmit mit einem Bürgerkrieg. Trump selbst mischt eifrig mit.

Allein ein Tweet vom Sonntag sollte für die Amtsenthebung des Präsidenten ausreichen, waren sich eine Menge Twitter-User einig. Dass der Präsident damit drohe, einen Bürgerkrieg zu entfachen, wenn das Impeachment-Verfahren gegen ihn fortgesetzt werde, zeige, dass er nicht fähig sei, das Amt noch länger auszuüben. Trump hatte in mehreren Tweets das zitiert, was der evangelikale Pastor Robert Jeffress am Sonntagabend in der Sendung »Fox & Friends« bei Fox News gesagt hatte. Wenn es den Demokraten gelinge, den Präsidenten des Amtes zu entheben, werde dies »einen bürgerkriegs­ähnlichen Bruch der Nation verursachen, von dem sich unser Land niemals erholen wird«. Robert Jeffress ist nicht irgendwer: Er ist eines der prominentes Geistlichen der Southern Baptist Convention, der mit rund 48 000 Gemeinden größten protestantischen Gruppe in den USA. Sein Fernseh- und Rundfunkprogramm »Path­way to Victory«, wird von mehr als 1 000 Sendern im Land übertragen.

Wenn es den Demokraten gelinge, den Präsidenten des Amtes zu entheben, werde dies »einen bürgerkriegsähnlichen Bruch der Nation verursachen«.

Die Evangelikalen gelten als Trumps größte und vor allem treueste Unterstützergruppe. Jeffress hatte wenige Tage vor der Wahl im Jahr 2012 betont, er halte den damals zur Wiederwahl stehenden Präsidenten Barack Obama nicht für den Antichristen: »Das sage ich ganz gewiss nicht.« Er ergänzte: »Was ich aber sehr wohl sage: Der Kurs, auf den Obama unser Land führt, bereitet den Weg für die künftige Herrschaft des Antichristen.«
Der einflussreiche Prediger hatte nach dem Naziaufmarsch in Charlottesville zwar erklärt, Rassismus sei eine Sünde und white supremacy ein Verstoß gegen die zehn Gebote, verbreitet ansonsten aber rückschrittliche Ansichten. Schwule tun seiner Meinung nach »unbeschreiblich erniedrigende« Dinge, »ihr schmutziges Verhalten erklärt, warum sie so viel anfälliger für Krankheiten sind«.

Katholiken bezeichnete er als »das satanische Resultat der babylonischen mystischen Religion«, den Mormonismus als »Häresie aus der Höllengrube« und Juden als »unrettbar verloren«. Trumps Präsidentschaftskandidatur unterstützte Jeffress allerdings nicht von Anfang an, sondern zunächst die von Ben Carson. Der Neurochirurg aus Detroit, ein Kreationist und Anhänger diverser Verschwörungstheorien, gab seine Kandidatur allerdings auf. Jeffress wechselte ins Trump-Lager und trat bei dessen Wahlkampfveranstaltungen auf. Im Juni 2016 ernannte Trump Jeffress zum Mitglied seines evangelikalen Ratgeberteams und der Glaubensinitiative des Weißen Hauses. Der Präsident frage regelmäßig, wie diese Berater Themen beurteilten, sagte der Prediger im September 2017 in einem Interview mit dem Christian Broadcasting Network (CBN).

 

Nach dem Skandal um Trumps Affäre mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels und mutmaßlich illegale Schweigegeldzahlungen war es ebenfalls Jeffress, der die fundamentalistisch-christliche Basis mit den Worten beruhigte, dass das Privatleben eines Präsidenten niemanden zu interessieren habe, viel wichtiger sei seine Politik. Damit bezog er sich auf die zahlreichen von der Regierung Trump nominierten ultrakonservativen Richter, von denen sich Evangelikale langfristig unter anderem ein Verbot von Abtreibungen erhoffen. Bei seinem Fox-News-Auftritt am Sonntag sprach Jeffress diese Evangelikalen abermals gezielt an. Er habe, sagte er, »sie noch nie so wütend erlebt« wie jetzt »bei diesem Versuch, den Präsidenten illegitim aus dem Amt zu entfernen«. Es folgte die recht unverhohlene Drohung mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die Trump dann auf Twitter zitierte.

Politische Kommentatoren wie der Jurist und Journalist Seth Abramson sind sich sicher, dass der Ratgeber des Präsidenten solche öffentlichen Äußerungen nicht ohne vorherige Absprache tätigt und dass sie ein Signal an die fundamentalistische Basis sind, denn der Prediger zitierte außerdem eine Passage aus dem alttestamentarischen »Buch Daniel«, in dem es um einen Krieg zwischen dem Norden und dem Süden und, nach christlicher Deutung, den Antichristen geht. Gewaltdrohungen aus Trumps Umfeld oder von ihm selbst sind allerdings nichts Neues. Im März hatte der Präsident auf Kritik an seinen naziverharmlosenden Äußerungen nach dem Attentat von Christchurch mit der Bemerkung reagiert, er habe »die Unterstützung des Militärs, der Polizei und von Bikern«, das seien alles »knallharte Leute«, und wenn sie an »einem bestimmten Punkt ankommen, wäre das sehr, sehr schlimm«.

Während einer Anhörung vor dem Kongress Anfang dieses Jahres mutmaßte Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen, dass der Präsident das Ergebnis der kommenden Wahl nicht unbedingt akzeptieren werde: »Nach den Erfahrungen, die ich mit Trump gemacht habe, fürchte ich, dass es im Falle einer Wahlniederlage 2020 keine friedliche Amtsübergabe geben wird.« Ähnlich hatte sich zuvor schon der berüchtigte Politikberater Roger Stone geäußert, der kurzzeitig auch Trump beraten hatte und außerdem für den Fall eines Impeachments bereits im August 2018 einen »Aufstand, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat«, prognostizierte; jeder Politiker, der für eine Amtsenthebung stimme, werde »sein eigenes Leben gefährden«.

 

Mit Gewalt geliebäugelt hatte Trump auch in der vergangenen Woche im Fall des Whistleblowers. Dessen Bericht über ein Telefonat des Präsidenten mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj sowie damit verbundene illegale Praktiken der Aktenablage im Weißen Haus hatten die Demokraten veranlasst, ein Amtsenthebungsverfahren anzustrengen. Bei einer Veranstaltung in New York verglich er den Unbekannten mit einem Spion und fügte hinzu, in den alten Zeiten, »als wir schlau waren«, sei man mit Spionen und Verrätern anders umgegangen – eine klare Anspielung auf die Todesstrafe.

Dass der Informant eine Art Spion sei, gehört seither zu den sogenannten talking points, die Trumps Mitarbeiter in Interviews immer wieder betonen, um das Amtenthebungsverfahren als illegal darzustellen. Diese talking points waren Bestandteil einer Handreichung an die Mitarbeiter, wie sie sich öffentlich äußern sollten. Sie war vorige Woche vom Weißen Haus aus Versehen auch an die Demokraten gefaxt worden. Trumps Spionagevergleich hat die Basis wohl verstanden. Nach Informationen des Fernsehenders CBS wurde der Whistleblower, der für die CIA arbeitet, mittlerweile unter federal protection, also unter den Schutz des Bundes, gestellt. Sein Anwalt dementierte dies zwar umgehend, CBS blieb dennoch bei seiner Darstellung.

Zuvor hatten Jack Burkman und Jacob Wohl, zwei Unterstützer Trumps, eine Belohnung in Höhe von 50 000 Dollar für denjenigen geboten, der die Identität des Informanten enthüllt. Die beiden Männer waren zuvor mehrfach durch Versuche aufgefallen, Trumps Gegner zu diskreditieren. Zuletzt hatten sie damit Schlagzeilen gemacht, dass sie auf einer Pressekonferenz eine Frau präsentieren wollten, die von Chefermittler Robert Mueller vergewaltigt worden sei. Das Vorhaben scheiterte daran, dass Mueller zum angeblichen Tatzeitpunkt erwiesenermaßen nicht vor Ort war und dass die Frau, die man als Opfer präsentieren wollte, sich weigerte, an der Inszenierung teilzunehmen. Burkman und Wohl hatten trotzdem ihr Ziel erreicht: Eingefleischte Trump-Fans glauben seither fest daran, dass Mueller ein Vergewaltiger und sein Untersuchungsbericht daher unglaubwürdig sei.