Ahnungslose Fußballkommentatoren

Sei doch kein Tor!

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Guardiolas Problem mit den Medien bestand darin, dass er einige Journalisten hoffnungslos überforderte. Schon nach wenigen Monaten in Deutschland war der Katalane ­genervt und fühlte sich missverstanden. Einige Journalisten verübelten ihm seine distanzierte Haltung, seine Verweigerung von Interviews. Aber anstatt das zu kritisieren – oder Guardiolas Rolle als WM-Botschafter für Katar –, verbissen sie sich in Dinge, die sie nicht verstanden oder nicht verstehen wollten: Aufstellung und Taktik. Und Guardiola? Der erin­nerte sich seines Lehrmeisters Johan Cruyff, der Journalisten einmal entgegnet hatte: »Wenn ich gewollt hätte, dass ihr mich versteht, hätte ich es euch besser erklärt.« Für Fachleute wie Oliver Kahn hat ­Guardiola »nicht nur die Bundesliga, sondern auch die Nationalmannschaft« bereichert. »Pep hat die Spielintelligenz seiner Spieler weiterentwickelt. Ich hätte auch nie gedacht, dass Lahm mal im Mittelfeld spielen kann.« ­Guardiola habe als damaliger Bayern-Trainer auch Anteil daran gehabt, dass Deutschland 2014 Weltmeister wurde.

Die Guardiola-Basher wollten, dass Fußball ein einfaches Spiel bleibt und sich über Spielphilosophie, Taktik und personelle Entscheidungen öffentlich auslassen, ohne von diesen Dingen Ahnung zu haben.

Eine beliebte, aber absurde Übung ist die Benotung von Spielern. Der Journalist, der dazu in der Lage ist, 22 Spieler (und mehr) korrekt zu ­benoten, muss ein Genie mit mindestens vier Augen sein. Er weiß, dass Spieler X nicht eine »3,0« verdient, sondern eine »3,5«. Der Torwart Y, der stark antizipiert und super aufbaut, bekommt nur eine »3,0« – es fehlte die spektakuläre Parade, die unter anderem ausfiel, weil er stark antizipiert hatte. Der Torwart Z, der viermal stark pariert, aber einmal patzt, bekommt eine glatte »5« – das heißt, er muss die Saison wohl wiederholen! Kann man diese blöden Noten nicht mal abschaffen? Reichen nicht an Stelle von zehn Noten Kategorien wie »sehr gut«, »gut«, »ordentlich« und »schwach«?

Als ich als Trainer mit meiner ­Jugendmannschaft den Kreispokal gewann, entschuldigte ich mich ­anschließend beim gegnerischen Kollegen für den Sieg: »Sehr glücklich.« Dieser reagierte etwas irritiert. Dann studierte ich ein Video des Spiels. Fazit: Der Sieg war hochverdient! Wir hatten mehr Ballbesitz, die besseren Pässe gegeben, mehr Torchancen herausgespielt. Wir hatten das Spiel über weite Strecken dominiert. Und der Spieler X war viel besser gewesen, als ich zunächst gedacht hatte. Nachträglich sah ich nämlich auch sein Verhalten in Situationen, in denen er nicht den Ball besessen und sich das Geschehen auf der anderen Seite des Feldes abgespielt hatte.