Ahnungslose Fußballkommentatoren

Sei doch kein Tor!

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Dem Fußballjournalismus täte es gut, wenn zur Ausbildung der Erwerb einer Trainerlizenz gehörte, dazu noch zwei Jahre Praxis. Da reicht eine Stelle als Jugendtrainer. Die Rolle des Boulevards übernehmen hier die Eltern. Man würde das Fußballspiel von innen heraus erlernen. Vielleicht versteht man anschließend besser, wie komplex der Beruf des Trainers ist, wie viele Beobachtungen und Überlegungen in eine Entscheidung, die die Aufstellung oder die Taktik betreffen, einfließen und wie man sich auch als Profitrainer von Dingen, die um einen herum geschehen, manipulieren lässt. Felix Magath, der knallharte Schleifer, hat einmal gesagt, er habe bei den Bayern manchmal auch einen Spieler aufgestellt, weil er dessen Unzufriedenheit gespürt habe.

Der BVB ist vergangene Saison »nur« Vizemeister geworden. Daraus leiten einige Medien ab, dass die ­Borussia in dieser Spielzeit Meister werden müsse. Alles andere sei ein Scheitern des Trainers. Dass Favre und seine Mannschaft 2018/2019 mehr leisteten als erwartet – kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die Dortmunder die Bayern ernsthaft fordern würden –, ist vergessen. ­Angeblich sind die Borussen ja nur deshalb nicht Meister geworden, weil Favre ein »Zauderer« ist, der nicht Meister werden will. Wie blöd ist das denn? Favre geht in die Kabine und erzählt den Spielern: »Sieht schlecht aus, Jungs. Meisterschaft ist wohl gelaufen.« Daraufhin antworten die Spieler: »Klar, Chef! Dann nehmen wir jetzt mal hübsch den Fuß vom Gas.«

Der BVB wurde vergangenen Sommer nicht Meister, weil die Qualität dafür nicht ausreichte. Und zurzeit sind die Bayern offensichtlich besser, als dies (auch von mir) vor dieser Saison prognostiziert wurde. Mats Hummels, derzeit wieder Abwehrchef beim BVB, weint man dort keine ­Träne nach. Die Bayern haben getobt, als Bundestrainer Joachim Löw Hummels, Thomas Müller und Jerome Boateng aussortierte – und vollziehen dies nun selbst: Hummels wurde verkauft, Boateng möchte man loswerden, Müller ist nur noch Reservist. Hansi Flick wurde Niko Kovač als Co-Trainer an die Seite gestellt und kompenisert die taktischen Defizite seines Chefs. Wenn der BVB-­Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verkündet, man wolle Meister werden, ist das okay. Lucien Favre muss da nicht mitmachen. Vielleicht ist es sogar klüger, hier etwas auf die Bremse zu treten. Warum eine Erwartung erzeugen, von deren Berechtigung man selbst nicht restlos überzeugt ist? Vielleicht muss man am Ende der Saison konstatieren: Nicht Favre war das Problem, sondern die falsche Situationsanalyse des BVB-Bosses, der weniger Ahnung vom Fußball hat als sein Trainer.

Nach den Spielen gegen Frankfurt und Bremen kursierte die Diagnose, die Mannschaft agiere zu überheblich. Das könnte ja das Resultat einer Fehleinschätzung des eigenen Potentials und dessen der Bayern sein. Vom »Zauderer« Favre stammt eine solche Fehleinschätzung sicherlich nicht.