Matteo Renzi und Matteo Salvini kämpfen für ihr Comeback

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Umfragen zufolge bekäme Italia Viva bei Neuwahlen derzeit nur rund vier Prozent der Stimmen, für den PD brächten sie womöglich ein Desaster. Das Bündnis mit den Populisten des M5S gilt vielen PD-Anhängern als Katastrophe, dessen ist sich der Parteivorsitzende Nicola Zingaretti bewusst. So wird ­jedenfalls sein jüngster Vorschlag, aus der »Zwangsehe« mit dem M5S eine »organische Allianz« werden zu lassen, interpretiert. Eine solche Allianz wurde de facto am vergangenen Sonntag bei den wegen eines Korruptionsskandals vorgezogenen Regionalwahlen in Umbrien getestet, und ihre Niederlage hätte nicht deutlicher sein können: mit über 20 Prozentpunkten Vorsprung, 57 Prozent der Stimmen, gewann dort die Mitte-rechts-Koalition, angeführt von der Lega.

Zingaretti hält eine Allianz zwischen PD und M5S für die einzige Möglichkeit, Salvini zu bekämpfen. Anders gesehen könnte dies die einzige Chance für den PD sein, weiteren Bedeutungsverlust zu vermeiden, indem die real­politische Notwendigkeit, einen Sieg der extremen Rechten zu verhindern, zum wichtigsten Programmpunkt erhoben wird. Damit könnte man jeden politischen Schritt, auch den abwegigsten, rechtfertigen.

Nach den Regionalwahlen sind weitere Entwicklungen schwer vorherzusagen. Renzi wartet ab, es bleibt unklar, was er mit Italia Viva vorhat. Sein Vor­gehen als Spaltung der Sozialdemokratie zu bezeichnen, würde implizieren, dass innerhalb der Sozialdemokratie eine Debatte über sozialdemokratische Werte stattfindet, was aber nicht der Fall ist. Renzi schwebt eine liberaldemokratische Kraft vor, die stark an Emmanuel Macrons Bewegung En Marche orientiert ist, allerdings die »Nähe zum Volk« zur Priorität erklärt hat. Schließlich gehe es darum, eine Gegenerzählung zur rechtspopulistischen Rhetorik zu artikulieren, wie Renzi Giovanni di Lorenzo im Interview mit der Zeit erklärte: »Es ist vor allem Salvini, dem ich jetzt den Kampf ansagen will. Es ist wichtig, diesen Mann in Schach zu halten und eine Bewegung zu gründen, die sich unter die Leute mischt.« Ansonsten beschreibt er die neue Partei mit Sätzen wie: »Italia Viva ist das dynamische Italien, das nicht aufgibt. Das Italien der Firmen, die im Ausland investieren. Das Italien der Männer und Frauen, die morgens früh den Wecker hören. Das Italien derer, die sich nicht damit abfinden und sagen, es läuft alles schlecht«, und ähnlichen neoliberalen Allgemeinplätzen, von denen man viel sagen kann, außer dass sie neu seien.

Während sich Renzi bei der Vorstellung von Italia Viva beim Leopolda-Kongress im ehemaligen Leopolda-Bahnhof in Florenz am vorvergangenen Wochenende von seinen Anhängern feiern ließ, mobilisierte Salvini am 19. Oktober in Rom die eigenen Anhänger, um für seine Idee von Zukunft zu demonstrieren: »Italienischer Stolz« lautete sein Slogan. Gemeinsam mit Silvio Ber­lusconis Forza Italia, anderen rechten Parteien und den Neofaschisten von Casa Pound forderte er bei einer großen Kundgebung auf der Piazza San Giovanni sofortige Neuwahlen. Es kamen zwar deutlich weniger als die von den Organisatoren kolportierten 200 000 Anhänger, aber mehr als zu Renzi in Florenz.

Man mag sich darüber streiten, inwiefern die beiden die Spaltung der italienischen Gesellschaft widerspiegeln. Doch während Renzi mit wenig ­Inhalt und viel Taktik das liberaldemokratische Lager weiter auseinandertreibt, zeigt Salvini, dass er anscheinend noch in der Lage ist, als Identifikationsfigur für eine bestimmte Idee von ­Zukunft zu wirken, die gefährlich nach Vergangenheit aussieht.