Neonazi-Partei »Die Rechte«

Der Nazi als Israelkritiker

»Die Rechte« macht aus ihrem Judenhass keinen Hehl. Doch das Oberverwaltungsgericht Münster mag in einer antisemitischen Parole der Partei keine Volksverhetzung erkennen.

Jeden Montag zogen Neonazis und andere Rechtsextreme in der Dunkelheit durch die Straßen und brüllen menschenverachtende und antisemitische Parolen. Gemeint ist aber nicht Pegida in Dresden. Es geht um die Demonstrationen der neonazistischen Kleinpartei »Die Rechte« in Dortmund. Zu ihren Parolen gehört auch »Nie, nie, nie wieder Israel«.

Die Parole »Nie, nie, nie wieder Israel« könne als »überspitzte und polemische Kritik an der Politik des Staates Israel verstanden werden.«

Die Dortmunder Polizei wollte die Parole bei den Demonstrationen verbieten. Das verhinderte das Oberverwaltungsgericht Münster: Die Äußerung könne als »überspitzte und polemische Kritik an der Politik des Staates Israel verstanden werden«, begründete das Gericht Anfang voriger Woche seine Entscheidung, dass die Parole vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Für Leonid Chraga, Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Dortmund, ist unverständlich, dass das Gericht den Straftatbestand der Volksverhetzung nicht als erfüllt ansah, »weil der Ausruf zur Auslöschung Israels auch mit der Auslöschung der Bevölkerung einhergeht. Es ist klar, was die Neonazis damit sagen wollen.« Gerade nach dem anti­semitischen Anschlag von Halle müsse eine solche Parole verboten werden, sagte Chraga im Gespräch mit der Jungle World.

Neben »Nie, nie, nie wieder Israel« skandierten die Dortmunder Neonazis auch »Palästina hilf uns doch – Israel gibt’s immer noch«. »Zu sagen, das ist Meinungsfreiheit und keine Volksverhetzung, halte ich für untragbar«, sagte Chraga. Solche Gerichtsbeschlüsse hätten eine verheerende Wirkung auf den Kampf gegen Antisemitismus in der Gesellschaft.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, äußerte sich nach Berichten über die Parolen bereits Anfang Oktober auf Twitter: »Es ist beschämend, Neonazis offen auf den Straßen von Dortmund zu sehen, während wir das jüdische Neujahr feiern. Die Urgroßeltern meiner Frau stammten aus Dortmund und wurden von den Nazis ermordet. Wo keine Reue ist, kann es keine Vergebung geben!«

Es war nicht der erste antisemitische Vorfall bei den Dortmunder Neonazis – ganz im Gegenteil, die Liste ist lang. Erst vor kurzem hatte ein Bielefelder Gericht in zweier Instanz eine Verurteilung des Bundesvorsitzenden der Par­tei »Die Rechte«, Sascha Krolzig, wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung bestätigt. Krolzig hatte den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold als »frechen Judenfunktionär« bezeichnet.

 

Von diesem Ungeist war auch der Europawahlkampf der Partei geprägt. Als Spitzenkandidatin hatte »Die Rechte« die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aufgestellt. Auf ihren Wahlplakaten warb die Partei mit dem Spruch »Israel ist unser Unglück«, angelehnt an Heinrich von Treitschkes Satz »Die Juden sind unser Unglück«, der seit 1927 Leitspruch des NS-Wochenblatts Der Stürmer war. Mehrere Städte und Gerichte beurteilten diese Parole als volksverhetzend und ließen die Plakate wieder entfernen. Haverbeck konnte keinen Sitz im Europaparlament erringen und ist weiterhin in der Justizvollzugsanstalt Brackwede inhaftiert. Grund genug für die Neonazis, wie bereits im vergangenen Jahr für den 9. November für die 90jährige Holocaustleugnerin eine Demonstration in Bielefeld unter dem Motto »Freiheit für Ursula Haverbeck« anzumelden.

Die Polizei wollte den Aufmarsch verbieten, weil der 9. November als historisches Datum untrennbar mit den Novemberpogromen von 1938 verbunden ist: In der Nacht vom 9. auf den 10. November brannten damals deutschlandweit Synagogen, jüdische Geschäfte wurden zerstört und Tausende Juden wurden verhaftet, getötet oder misshandelt. Die Novemberpogrome gelten als Beginn der organisierten Ermordung der europäischen Juden. Das Verwaltungsgericht Minden kippte jedoch das Verbot der Demonstration an diesem Tag: Nach Auffassung des Gerichts weist das benannte Thema der geplanten Demonstration keine Stoßrichtung gegen das Gedenken an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft auf. Eine solche ergebe sich auch nicht aus sonstigen Umständen. Klaus Rees vom örtlichen »Bündnis gegen rechts« kritisierte die Entscheidung: »Uns scheint das sehr seltsam zu sein, wenn das Verwaltungsgericht sagt, sie sehen keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen einer Demo für eine Holocaustleugnerin, die mehrfach verurteilt ist und zu Recht im Gefängnis sitzt, und dem Gedenken an den Judenpogrom«, sagte er dem WDR.

Ihre wöchentlichen Demonstrationen meldeten die Dortmunder Neonazis unter dem Titel »Montag für Meinungsfreiheit« an. Ihre Meinungsäußerung bestand darin, immer wieder durch die migrantisch geprägte Dortmunder Nordstadt zu ziehen und fremdenfeindliche und antisemitische Parolen zu skandieren. Bei vielen Anwohnerinnen und Anwohnern sorgte das für Unverständnis. Ein Anwohner, der anonym bleiben möchte, berichtet: »Jeden Montag werden hier die Straßen abgesperrt und wir stehen auf dem Weg zum Einkaufen oder nach Hause vor Polizisten in Kampfanzügen. Wenn man sieht, wie diese Nazis mit ihren Fahnen an der eigenen Wohnung vorbeiziehen, dann gruselt man sich.« Neben den antifaschistischen Gruppen schlossen sich deswegen auch viele Anwohner den Protesten an.

 

»Die Nordstadt-Bevölkerung hat gezeigt, dass sie keinen Bock auf Nazis hat«, sagte Kim Schmidt von der »Autonomen Antifa 170«. »In der Zeit der Proteste haben wir es geschafft, uns weiter mit der Bevölkerung zu vernetzen.« Die Nazis hätten mit ihren Demonstrationen erreicht, dass die Menschen in dem Viertel stärker zusammenhalten. Jeden Montag gingen mehrere Hundert Antifaschisten und Anwohner auf die Straßen und versuchten, die Neonazidemonstration zu blockieren oder zu übertönen. Auch der Pfarrer Friedrich Laker wollte ein Zeichen gegen die Neonazis setzen. Er ließ die Kirchenglocken läuten, als die Aufmärsche an seiner Kirche vorbeiführten, und lud zum Protest auf dem Kirchhof ein.

Ursprünglich hatte »Die Rechte« bis Weihnachten Montagsdemonstrationen angemeldet, doch beim fünften und vorerst letzten Termin am vergangenen Montag gab es ein jähes Ende. Der Dortmunder Nazikader Michael Brück verkündete das Ende der Demonstrationsreihe. Vorausgegangen war ihr ein polizeiliches Verbot der Parole »Hier marschiert der nationale Widerstand«, die sich auf den 2012 vom damaligen nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) verbotenen »Nationalen Widerstand Dortmund« bezieht. Viele Mitglieder dieser Organisation traten nach dem Verbot in die von Christian Worch gegründete Partei »Die Rechte« ein und besetzen bis heute die wichtigsten Ämter der Partei.

Dass die Neonazis im Laufe ihrer wöchentlichen Demonstrationen selbst das Interesse verloren, ist als Niederlage für die Szene zu werten. Anfänglich brachten sie noch über 100 Menschen auf die Straße, am Ende waren es keine 50 mehr. Ein weiterer Rückschlag dürfte die vorübergehende Schließung der Dortmunder »Thor Steinar«-Filiale sein. Der einzige nordrhein-westfälische Laden der bei Neonazis beliebten Bekleidungsmarke wurde am Montag vergangener Woche gegen Mittag von zwei Unbekannten aufgesucht, die mittels eines Feuerlöschers eine übelriechende Flüssigkeit versprühten. Dabei sei ein Sachschaden in fünfstelliger Höhe entstanden, teilte die Dortmunder Polizei mit. Auf Bildern war zu erkennen, dass Regale und deren Inhalt großflächig mit schwarzer Farbe überzogen waren.