Diskussion über Antisemitismus

Eislebener Abwehrreflexe

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Anlass des Protests war ein Auftritt des AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland. Dieser war nach Eisleben gekommen, um Steffen Dlugosch, der bei der am kommenden Sonntag in dem Ort stattfindenden Bürgermeisterwahl für die Partei kandidiert, im Wahlkampf zu unterstützen. Wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtete, wies Gauland in seiner Wahlkampfrede im Hotel »Mansfelder Hof« jegliche Mitverantwortung seiner Partei für den Anschlag von Halle zurück. Am Tag nach der Landtagswahl in Thürigen hatte Gauland den thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, der einem Gerichtsurteil zufolge als Faschist bezeichnet werden darf, in der Bundespressekonferenz zur »Mitte der Partei« gezählt. Vor dem Hotel hielten einige Demonstrierende ein Transparent mit der Aufschrift »AfD, Du mieses Stück Deutschland« hoch.

Zu der Kundgebung hatte »Das Kollektiv« auch deshalb aufgerufen, weil Unbekannte am Eingang des ehemaligen jüdischen Friedhofs der Stadt nur wenige Tage nach dem Anschlag in Halle die Parole »Juden raus«, ein Hakenkreuz und SS-Runen mit Kreide auf den Boden gekritzelt hatten. Auch wenn es schon vor den Wahlerfolgen der AfD in der Region antisemitische Vorfälle gegeben habe, so gehe doch »die allgemeine Tendenz deutlich nach rechts«, sagte Rüdiger Seidel, der Vorsitzende des Eislebener Synagogenvereins, im Gespräch mit der Jungle World.

Den vielleicht bezeichnendsten ­Beitrag zur Debatte über den rechten Alltag im Landkreis hatte die Mutter des geständigen Attentäters bereits kurze Zeit nach dem Anschlag von Halle geliefert. In einem nur wenige Stunden nach der Tat geführten Interview mit »Spiegel TV« versuchte die Grundschullehrerin ihren Sohn mit einer Aussage zu verteidigen, die ein bekanntes antisemitisches Stereotyp reproduziert: »Er hat nichts gegen Juden in dem Sinne. Er hat was gegen die Leute, die hinter der finanziellen Macht stehen – wer hat das nicht?«