In guter Position
Eine Wiederwahl von Donald Trump ist keineswegs ausgeschlossen. Tatsächlich aber sind die Demokraten in einer guten Position, die Wahlen im November zu gewinnen – auch weil Trump schwächer ist, als es auf den ersten Blick scheint.
Amtierende Präsidenten werden in den USA üblicherweise wiedergewählt. Seit der Wahlniederlage von Präsident Jimmy Carter gegen Ronald Reagan vor vierzig Jahren musste nur ein Präsident, George H. W. Bush, nach einer Amtszeit abtreten. Doch Trump ist im Vergleich zu anderen Präsidenten in der ersten Amtszeit relativ unbeliebt. Seine Popularitätswerte liegen seit Monaten unverändert bei etwa 40 Prozent. Zugleich hat sich im Zuge des Amtsenthebungsverfahrens die Ablehnung Trumps verhärtet. In einer Umfrage gaben 48 Prozent aller registrierten Wähler an, sie wollten auf jeden Fall gegen ihn stimmen, lediglich 34 Prozent für ihn. Nachdem die Demokraten ihre umstrittene Impeachment-Untersuchung im September offiziell eingeleitet hatten, hatte das bei den Wahlen in Kentucky und Louisiana im November anders als erwartet keine negativen Konsequenzen für sie. Die Demokraten gewannen beide Gouverneurswahlen, obwohl Trump persönlich noch Tage zuvor für den republikanischen Amtsinhaber in Kentucky, Matt Bevin, Wahlkampf betrieben hatte.
48 Prozent aller registrierten Wähler geben an, dass sie auf jeden Fall gegen Trump stimmen wollen.
Trump profitiert von der relativ guten Wirtschaftslage (siehe unten). Die Zufriedenheitswerte mit seiner Wirtschaftspolitik sind etwas höher als seine allgemeinen Beliebtheitswerte. Zugleich geht die Deindustrialisierung in den Rust Belt-Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania weiter, trotz der vollmundigen Ankündigung der Regierung, sie zu stoppen. Die Beliebtheitswerte des US-Präsidenten in dieser wohl wahlentscheidenden Region sind mehreren Umfrageinstituten zufolge deutlich gesunken.
Die Demokraten wollen außer mit dem Verweis auf Lohnstagnation und soziale Ungleichheit insbesondere mit der Gesundheitspolitik, besonders der Verteidigung von Obamacare, Wahlkampf betreiben. Ein Gerichtsverfahren, welches das bisherige Krankenversicherungssystem womöglich gänzlich in Frage stellen könnte, ist weiterhin anhängig. Bereits 2018 eroberten die Demokraten das Repräsentantenhaus besonders mit einer Botschaft zurück: »Die Republikaner wollen euch eure Krankenversicherung wegnehmen.«
Trump hat gute politische Instinkte und ist ein effektiver Kommunikator, doch auch er kann der allgemeinen politischen Entwicklungen in den USA nur teilweise entkommen. Seit 2016 haben die Demokraten mit Ausnahme von Nachwahlen in besonders konservativen Wahlbezirken, deren Kongressabgeordnete in die Regierung Trump berufen wurden, alle Wahlen gewonnen, teilweise sogar in eher konservativen Staaten.
2018 haben die Demokraten 41 Sitze im Repräsentantenhaus zurückerobert, so viele wie seit 1974 – nach der Watergate-Affäre – nicht mehr. Vor Trumps Präsidentschaft besetzten die Republikaner 57 Prozent aller Mandate in den Staatsparlamenten, die Demokraten nur 42; nun sind es 52 zu 47 Prozent. 2016 hatten die Republikaner noch 33 von 50 Gouverneursposten inne. Zurzeit gibt es einen Gleichstand von 25 zu 25, nachdem die Demokraten im November die Gouerneurswahlen in Kentucky und Louisiana gewonnen haben.
Geld für Fernsehanzeigen und Digitalwerbung, Kampagnenmitarbeiter und Get out the vote-Kampagnen zur Erhöhung der Wahlbeteiligung werden die Demokraten dieses Jahr reichlich haben. Bereits bei den Midterm-Wahlen 2018 gewann die Partei Daten des Centers for Responsive Politics zufolge erstmals seit Jahren das money race.
Die sieben führenden Vorwahlkandidaten der Demokraten für die Präsidentschaft haben im vierten Quartal 2019 insgesamt 137 Millionen US-Dollar an Spenden eingesammelt, weit mehr als Trump, der im selben Zeitraum, trotz eines auch für ihn wegen des Impeachment-Verfahrens gestiegenen Spendenaufkommens, lediglich 46 Millionen Dollar erhielt. Fast alle 41 freshmen im US-Repräsentantenhaus, die zum Teil in relativ konservativen Wahlkreisen bei den Midterms 2018 gewählt wurden, haben für ihre Wiederwahl 2020 mehr Geld gesammelt als ihre republikanischen Herausforderer. Auch über mehrere Kandidaten der Demokraten für den US-Senat geht zurzeit ein Spendenregen nieder.
Zudem wird den Demokraten das Geld liberaler Großspender und Milliardäre zu Hilfe kommen, ob sie wollen oder nicht. Der ehemalige Bürgermeister von New York City, Michael Bloomberg, will dieses Jahr eine Milliarde Dollar investieren, um Trump aus dem Amt zu bekommen. Er hat bereits angekündigt, sollte seine Kandidatur nicht erfolgreich sein, werde er seinen Wahlkampfapparat bis zur Wahl im November aufrechterhalten und in den Dienst des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten stellen, um dessen Wahl zu sichern. Andere potentielle Großspender halten sich derzeit zurück, weil es noch keinen klaren Favoriten gibt und sie unzufrieden sind mit der starken Position von Bernie Sanders und Elizabeth Warren.
Diese gute Lage für die Demokraten hat bereits Konsequenzen. Ähnlich wie vor den Midterm-Wahlen 2018 haben 26 der republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus bereits angekündigt, nicht zur Wiederwahl anzutreten.
Die Demokraten können dieses Jahr auf der Grundlage von etwa 400 seit Anfang 2019 eingebrachten Gesetzentwürfen – etwa zur Reduzierung der Medikamentenpreise oder zur Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar –, die nur durch die dünne Mehrheit der Republikaner im Senat und den Präsidenten aufgehalten werden, Wahlkampf mit sozialpolitischen Themen machen.
Dass die Demokraten im November eine knappe Mehrheit im Senat erobern, erscheint möglich. Zwar wird der Demokrat Doug Jones seinen Sitz im konservativen Alabama vermutlich verlieren. Doch in Maine, Arizona, Colorado und North Carolina – allesamt Staaten, die sich demographisch eher günstig für die Demokraten entwickeln – haben die Demokraten Chancen, die nötigen Sitze für eine knappe Mehrheit zu gewinnen. Schwierig, aber im Bereich des Möglichen ist es, den Republikanern zusätzlich einen Senatssitz in Georgia oder in Iowa abzunehmen.
In den Umfragen zur Präsidentschaftswahl liegen die vier führenden Anwärter der Demokraten, Joe Biden, Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Pete Buttigieg, alle vor dem Amtsinhaber. Es könnte besser sein, aber: Der eigentliche Wahlkampf der Demokraten für ihren noch zu ermittelnden Präsidentschaftskandidaten hat noch gar nicht begonnen.