Gegen die Familie des früheren Präsidenten Angolas wird wegen Korruption ermittelt

Prinzessin in der Klemme

Gegen die Familie des ehemaligen Präsidenten Angolas, José Eduardo dos Santos, und weitere Personen wird wegen Korruption ermittelt. Die Präsidententochter Isabel dos Santos steht nach den Enthüllungen der »Luanda Leaks« im Zentrum der Ermittlungen zu dem internationalen Korruptionsnetzwerk.

Das südwestafrikanische Land Angola wandelt sich. Nach 38 Jahren an der Macht hat Präsident José Eduardo dos Santos sein Amt im September 2017 an den elfeinhalb Jahre jüngeren João Lourenço übergeben. Während weite Teile der Bevölkerung unter Armut und Analphabetismus leiden, behandelte die Familie des inzwischen 77jährigen dos Santos das Land und seine Rohstoffe bis dahin als Privatbesitz.

Westliche Finanzberater halfen Isabel dos Santos über Jahre hinweg, Scheinfirmen zu gründen, ihre Bilanzen zu schönen und Steuerschlupflöcher ausfindig zu machen.

Mit Lourenço schien zunächst ein wenig charismatischer Parteisoldat Präsident geworden zu sein. Wie dos Santos gehört er der aus der ehemaligen Befreiungsbewegung hervorgegangenen Partei Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MPLA) an, die das Land seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 regiert. Gleich zu Beginn benannte er die Korruptionsbekämpfung als ein zentrales Ziel seiner Präsidentschaft und beließ es seither nicht bei starken Worten. Unmittelbar nach seinem Amts­antritt leitete er erste Schritte gegen die Vetternwirtschaft seines Vorgängers ein. Im Januar 2018 enthob er José Filomeno dos Santos, den Sohn des ehemaligen Präsidenten, seines Postens als Leiter des staatlichen Fundo Soberano de Angola (FSDEA), der Erdöleinnahmen für die Entwicklung des Landes verwenden sollte. José Filomeno soll vor allem seine eigenen Taschen gefüllt und aus dem Fonds mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar an Scheinfirmen im Ausland abgezweigt haben. Derzeit steht er deswegen in der Hauptstadt Luanda vor Gericht. Zugleich rückte auch Isabel dos Santos, die Tochter des ehemaligen Präsidenten, in den Blick der Ermittler. Sie gilt seit langem als eine der reichsten Frauen Afrikas und wurde in Angola nur »die Prinzessin« genannt. Sie war Direktorin des staatlichen Erdölkonzerns Sonangol und verdiente auch am angolanischen Diamantenhandel sowie im Telekommunikationssektor des Landes. Nicht zuletzt wegen ihrer profitablen Investitionen im Banken- und Telekommunikationssektor war sie in interna­tionalen Wirtschafts- und Finanzkreisen hoch angesehen. Doch kurz nach der Vereidigung Lourenços wurde sie im November 2017 ­ihres Postens bei Sonangol enthoben.

Ende 2017 lud die Generalstaatsanwaltschaft sie vor, um über die Herkunft ihres Vermögens Auskunft zu geben. Dieser Vorladung kam sie nicht nach, sie hält sich seitdem im Ausland auf. Im Zuge der Ermittlungen fror die angolanische Justiz Ende vergangenen Jahres ihre Konten ein und erhob Rückzahlungsforderungen von über einer Milliarde US-Dollar. Mitte Januar dieses Jahres erfolgte mit der Veröffentlichung der »Luanda Leaks« die nächste Enthüllung: Die Plattform zum Schutz von Whistleblowern in Afrika (PPLAAF), eine in Paris ansässige Organisation, hatte dem renommierten Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) knapp 715 000 Dokumente zu den Machenschaften von Isabel dos Santos zur Verfügung gestellt. Das ICIJ, bekannt durch die Veröffentlichung der »Panama Papers«, stellte die Unterlagen nach intensiver Prüfung am 19. Januar ins Netz. Maßgeblich an den Veröffentlichungen beteiligt war wohl der portugiesische Whistleblower Rui Pinto, der gegenwärtig wegen des Vorwurfs der ­Cyberkriminalität in Untersuchungshaft sitzt und als Gründer der Plattform »Football Leaks« gilt, die mit Korruptionsenthüllungen im Profifußball Aufsehen erregt hat.

Minutiös hat das ICIJ die Dokumente analysiert und einen detaillierten Überblick über die ausgeklügelten Finanztransaktionen Isabel dos Santos’ erstellt. Sein Bericht zeigt auf, dass sie und ihr kongolesischer Ehemann Sindika Dokolo ein Netz aus mehr als 400 Scheinfirmen in 41 Ländern betrieben haben, um systematisch zu verschleiern, wohin die angolanischen Staatsgelder fließen. Das ICIJ konnte nachweisen, dass Hunderte Millionen US-Dollar an Krediten und Verträgen aus öffentlichen Aufträgen an dos Santos’ Firmen gingen und dass das nur mit Hilfe westlicher Finanzberater möglich war. Diese halfen dos Santos über Jahre hinweg, Scheinfirmen zu gründen, ihre Bilanzen zu schönen und Steuerschlupflöcher ausfindig zu machen. Den Recherchen zufolge waren alle großen Unternehmensberatungsfirmen daran beteiligt, aber zwei Wirtschaftsprüfungsfirmen spielten eine besonders unrühmliche Rolle: Pricewaterhouse Coopers und die Boston Consulting Group sollen zwischen 2010 und 2017 zusammen mehr als 5,6 Millionen US-Dollar an den Firmen von dos Santos und ihrem Ehemann verdient haben.

Durch dos Santos’ Finanzgebaren wurden aber nicht nur dem angolanischen Staat Milliarden US-Dollar entwendet, die dem Land für Bildungs- und Infrastrukturinvestitionen fehlen. Wie das ICIJ nachweisen konnte, gehörten in mindestens einem Fall Menschenrechtsverletzungen zur Vorgehensweise. So wurden für ein Stadtentwicklungsprojekt in Luanda, an dem ein Unternehmen dos Santos’ beteiligt war, 3 000 Familien gewaltsam aus ihren Wohnungen vertrieben, das gesamte Viertel Areia Branca wurde dem Erdboden gleichgemacht. Das Volumen des Projekts belief sich auf knapp 1,3 Milliarden US-Dollar.

Zu den Vorgängen, die derzeit bereits von angolanischen Gerichten untersucht werden, zählt auch die Zahlung von 38 Millionen US-Dollar im November 2017 von Sonangol an eine Firma in Dubai, die von einem Vertrauten dos Santos’ geleitet wurde. Die Überweisung wurde nur wenige Stunden nach ihrer Entlassung als Leiterin von Sonangol getätigt.

Nachdem die angolanische Staatsanwaltschaft Ende Januar Anklage gegen dos Santos und fünf weitere Personen wegen Unterschlagung, Veruntreuung und Geldwäsche erhoben hatte, wurde einer der Mitangeklagten, der portugiesische Privatbankier von dos Santos, Nuno Ribeiro da Cunha, in der Garage seines Wohnhauses in Lissabon tot aufgefunden. Die portugiesische Polizei geht von einem Suizid aus. Vergangene Woche reagierte auch die portugiesische Justiz und fror auf Betreiben Angolas die Konten von Isabel dos Santos in Portugal ein.

Die Lage dos Santos’ wird immer schwieriger, mit politischer Protektion kann sie offenbar nicht mehr rechnen. Gegenüber der Deutschen Welle stellte Präsident Lourenço Anfang Februar noch einmal klar, dass es mit Isabel dos Santos keine Absprachen geben werde.