Alpha Condé will nochmal
Selten wurde ein Wahltermin mit derart viel Spannung erwartet wie derzeit in Guinea. Dabei dürften in dem westafrikanischen Land – das zu den 25 ärmsten Staaten der Erde zählt, obwohl es mutmaßlich einer der rohstoffreichsten ist – die wenigsten eine unmittelbare Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse von der bevorstehenden Parlamentswahl erwarten. Gegenstand heftiger Debatten und Konflikte ist hingegen der Wahltermin.
Die Oppositionsparteien befürchten, dass die Wahl nur dazu dienen soll, der Regierungspartei und ihren Verbündeten, die mit der Koalition RPG-Regenbogen antreten, eine Mehrheit für die Änderung der Verfassung zu verschaffen.
Ursprünglich sollte die Parlamentswahl, gekoppelt an ein Referendum über eine Änderung der Verfassung aus dem Jahr 2011, am 16. Februar stattfinden. Unter dem Druck der in einer Nationalen Front für die Verteidigung der Verfassung (FNDC) zusammengeschlossenen Oppositionskräfte hatte die von der Sammlung des guineischen Volks (RPG) geführte Regierung die Wahl inklusive Referendum zunächst auf den 1. März verschoben, dann wieder um 14 Tage, also auf den kommenden Sonntag.
Die Regierung führt Unstimmigkeiten im Wählerverzeichnis an, um den erneuten Aufschub zu rechtfertigten. Tatsächlich ist die Überarbeitung des Wählerregisters, bei der überprüft werden soll, ob Verstorbene ausgetragen und volljährig gewordene Personen eingeschrieben wurden, zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien umstritten. Die Internationale Organisation des französischen Sprachraums (OIF) und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) sowie die Afrikanische Union sollten dazu Experten entsenden. Die Mission der OIF wurde jedoch Ende Februar, in der Woche vor dem damals geplanten Wahlgang, abgebrochen. Nunmehr ist die Ecowas dabei, an Ort und Stelle ihr Glück zu versuchen.
Die Oppositionsparteien – an erster Stelle die Union der Demokratischen Kräfte Guineas (UFDG), gefolgt von der Union Republikanischer Kräfte (UFR) – lehnen die geplante Verfassungsänderung grundsätzlich ab. Sie befürchten, dass die Wahl nur dazu dienen soll, der Regierungspartei und ihren Verbündeten, die mit der Koalition RPG-Regenbogen antreten, eine Mehrheit für die Änderung der Verfassung zu verschaffen. Wohl deswegen hatte die Regierung es im vorigen Herbst plötzlich ziemlich eilig, die Parlamentswahlen nun doch anzuberaumen. Sie waren seit 2018, als das Mandat der 2013 gewählten Abgeordneten abgelaufen war, mehrfach verschoben worden.
Doch seit dem vorigen September ließ der zuerst im Dezember 2010 gewählte Präsident Alpha Condé durchblicken – erstmals andeutungsweise bei einem Staatsbesuch in Berlin –, dass er plane, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die unter ihm entworfene und verabschiedete Verfassung von 2011, die erste demokratisch zu nennende in der Geschichte der seit 1958 unabhängigen Republik Guinea, erlaubt dem Präsidenten aber nur zwei Amtszeiten. Wie andere Präsidenten des afrikanischen Kontinents in den vergangenen Jahren – 2015 eröffneten die Autokraten von Burundi und Kongo-Brazzaville den Reigen – möchte nun auch Condé diese verfassungsrechtliche Beschränkung abstreifen.
Dabei hätte man zumindest von Condé etwas anderes erwartet. Vor seiner Rückkehr aus dem Exil 1991 lebte er 38 Jahre lang in Frankreich und war dort bei den Sozialdemokraten aktiv, er galt als westlich geprüfter, erfahrener Demokrat. Seit seiner Amtsübernahme entwickelt er jedoch autoritäre Tendenzen.
Seit einem ersten Demonstrationstag am 14. Oktober eskalieren die Proteste. Bei deren Bekämpfung tötete die Polizei seither mindestens 31 Menschen, hauptsächlich durch Schusswaffeneinsatz. Das Regierungslager schürt zudem ethnische Konflikte, um die Bevölkerung zu spalten.
Die stärkste Oppositionspartei, die UFDG, gilt in weiten Kreisen als »Partei der Peul«. Diese stellen ein Drittel der Bevölkerung Guineas, bilden die größte einzelne Sprachgruppe und leben auch in Nachbarländern wie Senegal, Mali und Burkina Faso. In der Republik Guinea kontrollieren Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe beträchtliche Teile des Handels. In anderen Bevölkerungsgruppen wie den Malinké, zu denen Alpha Condé gehört, den Soussou oder der Bevölkerung des als »Waldguinea« bezeichneten südlichen Landesteils lässt sich zum Teil mit dem Argument Wahlkampf führen, nun sollten die Peul nicht auch noch die Politik kontrollieren; deswegen dürfe ein Peul wie der Vorsitzende der UFDG, Cellou Dalein Diallo, nicht Präsident werden.
Sicherlich lehnen auch Angehörige anderer Gruppen als der Peul es ab, Condé eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, doch sind es vor allem ärmere junge Peul, die die Proteste dominieren. Bislang zeigt sich der FNDC entschlossen, die Parlamentswahlen zu verhindern, sollten seine Forderungen nach Mindestgarantien für ihren fairen Verlauf nicht erfüllt werden.