Im Bundestag fand eine Anhörung zum Verbot von Konversionstherapien statt.

Hetero auf Wunsch

Sogenannte Konversionstherapien sollen Homosexualität »heilen«. Sie sollen jetzt verboten werden – allerdings nur bei Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen.

Dämonenaustreibungen, gemeinsames Beten für Heterosexualität, Teilnehmende, die sich weinend und schreiend auf dem Boden winden – Betroffene berichten von verstörenden Erfahrungen in sogenannten Konversionstherapien, die sie von ihrer Homosexualität »heilen« sollten. Mit den psychischen Folgen dieser Prozeduren haben sie oft jahrelang zu kämpfen. Vor zwei Wochen fand im Bundestag eine Anhörung zum Verbot dieser hochdubiosen Behandlungen statt. Der Gesetzentwurf sieht vor, Therapieversuche an Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen unter Strafe zu stellen. Nicht einwilligungsfähig sind Personen dem Entwurf zufolge dann, wenn die Zustimmung zu einer Therapie »durch Zwang oder Täuschung zustande kam«. Wenn sich volljährige Personen freiwillig für eine solche »Behandlung« entschieden, müsse dies jedoch im Sinne des Rechts auf Selbstbestimmung respektiert werden. Die Verabschiedung des Gesetzes wird im Laufe des Jahres erwartet.

Ob man in diesem Zusammenhang überhaupt von selbstbestimmten Entscheidungen sprechen kann, ist allerdings umstritten. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI) lehnt in einer Stellungnahme alle Arten von Konversionsversuchen unabhängig vom Alter der Betroffenen ab. Petra Weitzel, die Vorsitzende der DGTI, argumentiert, ein »Willensmangel«, wie er in dem Entwurf der Bundesregierung erwähnt wird, entstehe auch durch Abschirmung vor Informationen. In bestimmten Kreisen, beispielsweise in einigen freikirchlichen Gemeinden, wüchsen viele Menschen mit einem sehr verengten Weltbild auf. »Über Wörter wie Homo- oder Transsexualität wird nicht gesprochen. Wenn man kein Wort für etwas hat, ist es schwierig, selbst nach Informationen zu suchen«, sagte Weitzel der Jungle World. Betroffene würden dort auf eine Weise manipuliert, die es erschwere, von einer freien Entscheidung zu einer »Konversionstherapie« zu sprechen. Die DGTI befürwortet ein bedingungsloses Verbot auch deshalb, weil die Schädlichkeit der »Behandlungen« in wissenschaftlichen Publikationen, auf die sich beispielsweise auch die Bundesärztekammer bezieht, eindeutig nachgewiesen wurde. »Auch ein Medikament, das als schädlich erkannt wird, wird vom Markt genommen«, so Weitzel.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hingegen räumt ein, dass das Recht auf Selbstbestimmung auch bedeute, individuelle Entscheidungen anerkennen zu müssen, »die man selbst nicht gut findet«, wie Pressesprecher Markus Ulrich der Jungle World sagte. Allerdings plädiert der Verband dafür, das Mindestalter auf 26 Jahre anzuheben. Menschen, die mit sich und ihrer Identität haderten, hätten ein Coming-out in der Regel später als andere. Sie seien besonders vulnerabel und müssten deswegen auch über das Alter von 18 Jahren hinaus stärker geschützt werden. Bei Menschen über 26, die sich einer »Behandlung« unterziehen wollten, sei es notwendig, sie umfassend über die Ri­siken aufzuklären. Gänzlich davon abhalten könne man sie aber nicht. Inwiefern eine Entscheidung selbstbestimmt getroffen werde und welchen Einfluss die familiäre oder gesellschaftliche Prägung habe, sei auch in anderen Fragen nie abschließend zu bestimmen, befand der LSVD.

Die Frage nach den Grenzen der persönlichen Autonomie stellt sich auch in anderen Zusammenhängen, etwa in der Diskussion über die Sterbehilfe: Kann der Wille zu sterben frei sein von äußerem, gesellschaftlichem Druck? In feministischen Debatten herrscht Uneinigkeit darüber, inwieweit ein Rollenverhalten im Sinne eines traditionellen Frauenbilds eine Form freier Selbstverwirklichung sein kann oder lediglich aus der Verinnerlichung patriarchaler Strukturen resultiert.

Das ärztliche Berufsrecht verbietet Konversionstherapien ohnehin bereits unabhängig vom Alter, da die Bundesärztekammer Homosexualität unter keinen Umständen als Erkrankung betrachtet. Der Gesetzentwurf soll darüber hinaus eine strafrechtliche Verfolgung ermöglichen. Zudem nehmen häufig medizinische Laien Konversionstherapien vor, die nicht an das ärztliche Berufsrecht gebunden sind. Der Gesetzentwurf würde es ermöglichen, auch diese in Zukunft mit einer Freiheitsstrafe oder einem Bußgeld bis zu 30 000 Euro zu belegen – wenn die im Entwurf genannten Bedingungen erfüllt sind.