»Coronarebellen« und Burschenschafter im Rassenkrieg – die Kolumne über säch­sische Verhältnisse

»Komplett im Arsch«

»Coronarebellen« treiben in der Region Bautzen ihr Unwesen, während sich in Leipzig Burschenschafter auf den »Rassenkrieg« vorbereiten und Polizisten sich als Fahrrad­hehler betätigen. Der nahe Osten – eine Kolumne über die sächsischen Verhältnisse.
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Wer derzeit an einem Sonntag auf der Landstraße B 96 im Landkreis Bautzen umherfährt, kann ein besonders schönes Beispiel kollektiver sächsischer Identitätsbildung beobachten. Über die Städte und Dörfer verteilt stehen dort Hunderte Anwohnerinnen und Anwohner an der Straße, protestieren gegen Dinge, die ihnen nicht gefallen (»Coronaterror«, »Pseudodemokratie«, »Impfzwang« und so weiter) und schwenken dabei »Fahnen aus verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte«, wie die Sächsische ­Zeitung die große Anzahl schwarz-weiß-roter Reichsflaggen verklärend umschrieb. Eine Autokolonne, die »Karawane der Vernunft«, protestierte dagegen am vorvergangenen Wochenende unter dem Motto »Paradiesvögel statt Reichsadler« und bekam prompt den Zorn der Oberlausitzer »Coronarebellen« zu spüren, die sich keinesfalls in die rechte Ecke stellen lassen wollen, auch wenn die AfD mit ihnen zusammenarbeitet. »Wir sind keine Rechten. Wir sind keine Linken. Wir sind Deutsche!« klärte vor einigen Wochen ein stolzes Pärchen am Wegesrand mit einem Schild auf. Diesen Spruch dürfte auch Alexander Ahrens befürworten, der sozialdemokratische Bürgermeister der Stadt Bautzen. Er wollte am vergangenen Sonntag in der Bautzener Innenstadt ein Grußwort auf einer Kundgebung »gegen Gewalt und Extremismus« vortragen, die Personen aus dem Milieu rechter Verschwörungstheoretiker organisiert hatten. Neben Ahrens waren auch der als »völkisch-antisemitischer Jammerossi« bekannte Uwe Steimle und die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld angekündigt, die mittlerweile im Umfeld der AfD ihr Ressentiment gegen Flüchtlinge auslebt. In einer ersten Version der Ankündigung trug die Kundgebung noch den Untertitel »Alle Leben zählen«, eine Übersetzung der rechten Antwort auf die antirassistische Bewegung »Black Lives Matter«. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der »Partnerschaft für Demokratie«, dem lokalen Ableger des Bundesprogramms »Demokratie leben«, dessen Logo auf den Plakaten prangte. Die Kundgebung wurde ­jedoch kurzfristig abgesagt, »aus Sicherheitsgründen und wegen Vorverurteilung«. Das Fazit der Stadträtin Annalena Schmidt (Grüne) zur politischen Debatte in der Stadt war eindeutig: »Bautzen ist komplett im Arsch«, schrieb sie auf Twitter.

Nicht Bautzen, sondern Beuden, ein Dorf bei Leipzig, hatten sich einige Kameraden im Geiste als Zufluchtsort für den Fall des ­»Rassenkriegs« ausgesucht, wie Recherchen der Taz und von »Sachsen-Anhalt rechtsaußen« ans Licht brachten. Ein kleines Prepper-Netzwerk um die extrem rechte Leipziger Burschenschaft Germania und Bundeswehrreservisten hatte sich ab 2015 auf die völkische Endschlacht vorbereitet. In Chats mit Namen wie »Endkampf« und »Zuflucht Beuden« beriet die Gruppe, wie sie sich bei Ausbruch des erwarteten Kriegs in dem Dorf verschanzen wolle, um sich bewaffnet gegen die »Umvolkung« zur Wehr zu setzen. Die Beschaffung von Medikamenten- und Nahrungsvorräten war bereits organisiert, die Zwangsrekrutierung von Dorfbewohnern wurde besprochen. Die Beteiligten trainierten auch das Schießen, die Waffen dafür waren bereits vorhanden. Besonders brisant ist, dass einer der Prepper jüngst in einem Corona-Krisenstab eines Landkreises in Sachsen-Anhalt tätig war, ein anderer als Reservist zum Einsatz bereitgestanden habe. Die Recherchen belegen enge Verbindungen und Überschneidungen zwischen rechten Burschenschaftern und Reservisten, die über die Gruppe der Endzeit-Prepper hinausgehen. Der Chat selber endete im April 2016, ob die Planungen weitergingen, ist unbekannt.

Der sächsische Verfassungsschutz will erst durch die Presse von dem Netzwerk erfahren haben. Das verwundert nicht, schließlich leitet schon seit 2013 Gordian Meyer-Plath die Behörde. Der ist Alter Herr einer Burschenschaft, die lange Zeit in der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert war, also in dem völkischen Dachverband, in dem auch die Leipziger Burschenschaft zu Hause ist. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat erst einmal einen »Prüfvorgang« angelegt. Wenn sich Faschisten Waffen besorgen und in Chats von nächtlicher »Kanakenjagd« träumen, muss das im Freistaat ja nicht unbedingt ein Verstoß sein.

Die Leipziger Polizei hatte keine Zeit, sich um die militanten Burschenschafter zu kümmern. Denn Polizisten der Stadt waren ­damit beschäftigt, sich gegenseitig gestohlene Fahrräder zu Spottpreisen zu verhökern. Über 1 000 Fahrräder sollen illegal aus der ­Asservatenkammer in den Besitz von Beamten übergegangen sein, selbst Staatsanwälte und Richter sollen zu den Kunden gehört ­haben. Mittlerweile hat die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden die Ermittlungen übernommen. Vielleicht führen sie zu einer ­Antwort auf die Frage, warum Leipzig bundesweit die meisten Fahrraddiebstähle zu verzeichnen hat.

Am Abend vor dem Bekanntwerden der Fahrradhehlerei gab es im Leipziger Szeneviertel Connewitz eine kleine Demonstration aus Protest gegen Hausdurchsuchungen in antifaschistischen Kreisen. »Wann durchsucht ihr euch selbst?« stand auf einem Fronttransparent. Eigentlich war das eine Anspielung auf die Verbindungen der sächsischen Polizei ins Nazimilieu. Durch den illegalen Fahrradhandel hat die Aufforderung eine weitere Bedeutung bekommen.