»Nature is healing«

Krise und Kröten

Laborbericht Von

Zu Beginn der Coronakrise verbreiteten sich in den sozialen Medien Fotos, die angeblich zeigten, wie sich Delphine in den Kanälen des menschenleeren Venedig tummelten. »Nature is healing«, hieß es dazu. Es stellte sich schnell heraus, dass die Bilder in Wirklichkeit aus Sardinien stammten, und der Spruch über die vermeintlich heilende Natur wurde zum ironischen Meme, mit dem etwa Berichte kommentiert wurden, dass es wieder Klopapier zu kaufen gebe.

Nur bedingt tröstlich sind auch Meldungen über den gesunkenen Ausstoß von Treibhausgasen. In der ersten Aprilwoche wurden in Deutschland einer Studie internationaler Klimaforscher zufolge rund 26 Prozent weniger CO2 in die Luft geblasen als üblich, weltweit lagen die Emissionen des Transports an Land um 36 Prozent, diejenigen des Luftverkehrs um 60 Prozent niedriger als im Vorjahr. Allerdings dürfte der Gesamteffekt gering sein: Da die Wirtschaft vielerorts schnell wieder hochgefahren wurde, wird der Jahresausstoß der Studie zufolge lediglich um etwa vier bis sieben Prozent niedriger ausfallen.

Einen Langzeiteffekt könnte dagegen die sogenannte Corona-Verkehrs­wende haben: Weltweit hat mit der Erkenntnis, dass die gesündeste Fortbewegungsart – nicht nur in Pandemiezeiten – das Radeln ist, ein öffentlich geförderter Fahrradboom eingesetzt. Frankreich und Italien etwa zahlen Prämien für die Reparatur beziehungsweise den Kauf von Fahrrädern; zahlreiche Großstädte haben Autospuren in Radwege umgewandelt oder, wie New York, gleich ganze Straßen von Autos befreit; London verbannt Pkw aus weiten Teilen der Innenstadt. Wenig in Sachen Ausbau des Radverkehrs tut sich in Deutschland: Nur wenige Städte haben ein paar sogenannte Popup-Bike­lanes eingerichtet, die sich jedoch im Vergleich etwa mit den mehr als 100 Kilometern neuer Radwege in der ko­lumbianischen Hauptstadt Bogotá mickrig ausnehmen.

Zwar dürfte der Trend zum Rad keinen allzu großen Einfluss auf die CO2-Bilanz haben, wohnlichere Städte und mehr Sicherheit bringt er aber allemal. So wurde in New York nach Beginn des lockdown 58 Tage lang kein einziger Fußgänger im Straßenverkehr getötet – ein neuer Rekord. Nicht nur Menschen profitieren von autofreien Straßen: Auch die Zahl überfahrener Tiere ging deutlich zurück, wie Statistiken etwa aus Costa Rica, Südafrika und den USA belegen. Wenigstens für die Amphibien im US-Bundesstaat Maine, die dort von Freiwilligen gezählt wurden, dürfte sich der Rückgang des Autoverkehrs auch längerfristig auswirken: Deren jährliche Wanderung zu den Laichgebieten fand just zur Zeit des stärksten Verkehrsrückgangs statt, so dass auf ein plattgefahrenes Tier vier statt wie in den Vorjahren lediglich zwei Überlebende kamen. Für einen pandemiebedingten Baby- beziehungsweise Kaulquappenboom bei den Kröten ist also immerhin gesorgt.