Die Rhetorik der AfD wird von anderen Parteien aufgegriffen

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Das Ergebnis der Landtagswahl zeigt, wie fest sich die AfD mittlerweile in Sachsen-Anhalt etabliert hat. Längst werben auch andere Parteien mit AfD-Rhetorik um rechte Wähler.
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Jeder fünfte Wähler entschied sich bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt für die AfD, und in Deutschland herrscht Erleichterung. Der Sieg der AfD ist ausgeblieben, die AfD wurde nicht, wie befürchtet, stärkste Kraft. Die Schuldigen für das dennoch starke Abschneiden der extremen Rechten wurden bereits vor der Wahl gefunden: die Linken. Angebliche Minderheitenprobleme wie »Gendersprache« und »Identitätspolitik« würden ihretwegen von den Medien breit diskutiert, aufgrund der »Cancel Culture« seien »bestimmte Dinge« mittlerweile »tabuisiert«, beklagte der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Gespräch mit der Zeitung Welt am Sonntag. Das deswegen »wachsende Frustpotential wird von der AfD gehoben«.

Rechtsextrem zu wählen aus Notwehr gegen die Linken – damit ist Haseloff derselben Ansicht wie Sahra Wagenknecht, dem bekanntesten Gesicht der Partei »Die Linke«. Auch sie macht in ihrem jüngsten Buch »Die Selbstgerechten« urbane »Lifestyle-Linke«, die »das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten« richten, dafür verantwortlich, dass Menschen vornehmlich aus Protest, wie sie meint, die AfD wählen.

Während Linke also nicht nur bürgerlichen Kreisen zufolge die Schuld am sogenannten Rechtsruck tragen, gehören sie als »Antifa-Terroristen« erst recht zu den Feindbildern der AfD. Um die linke Szene zu bespitzeln und andere Parteien sowie zivilgesellschaftliche Gruppen wegen angeblicher Nähe zum Linksextremismus unter Druck zu setzen, beantragte die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt 2018 die Bildung einer »Kommission zur Untersuchung des Linksextremismus«. Unterstützt wurde sie von großen Teilen der CDU-Fraktion. Den Vorsitz hatte mit dem damaligen Fraktionsvor­sitzenden der AfD, André Poggenburg, ein Rechtsextremer, der Bekanntheit erlangte, als er 2018 unter »Abschieben!«-Gejohle seines Publikums gegen »Kameltreiber« und »Kümmelhändler« hetzte.

Womit nach den »Linksextremen« das nächste Feindbild deutlich wird, das man bedienen muss, um solche Wähler für sich zu gewinnen: Menschen mit Migrationshintergrund. Nicht nur Haseloff forderte in der Vergangenheit eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen, auch Wagenknecht ging bereits 2018 damit hausieren, dass die »Begrenzung der Zuwanderung« die Abgehängten vor dem sozialen Abstieg retten könne. Zum Dank dafür warb die AfD in Anhalt-Bitterfeld auf einem Großplakat mit dem Konterfei der Politikerin und dem Slogan: »Sahra hat recht.›Zuwanderung begrenzen.‹ Eine Forderung, die wir umsetzen werden.« Die AfD drückt damit aus, was zahllose Fans von Wagenknecht schon seit langem regelmäßig im Internet kommentieren: »Frau Wagenknecht, Sie sind in der falschen Partei!«

Das dritte Feindbild der AfD, nach den Linken und den Migranten, sind die Medien, besonders die als »linksgrünversifft« diffamierten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Auch hier bot die voriges Jahr geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent monatlich den anderen Parteien eine Chance, mit rechter Rhetorik rechte Wähler zu umwerben. Während die AfD vom »Staatsfunk« fabuliert, polemisierte Wagenknecht gegen einen »Regierungsrundfunk« und zu hohe Intendantengehälter. Die CDU in Sachsen-Anhalt verwirklichte indessen den Wunsch der AfDler, als sie mit der Vermeidung einer Abstimmung im Landtag dafür sorgte, dass der Rundfunkbeitrag nicht wie vorgesehen zum 1. Januar 2021 steigen konnte. Vorausgegangen war eine Regierungskrise, in der Haseloff gezwungen war, seinen Innenminister, den CDU-Landesvorsitzenden Holger Stahlknecht, zu entlassen, nachdem dieser in einem Interview die Möglichkeit einer von der AfD tolerierten CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht hatte.

So sieht sie also aus, die vielfach beschworene »Brandmauer gegen rechts«. Die AfD kann sich freuen, denn den Wahlkampf für sie besorgen längst andere. Dass die AfD erstmals stärkste Kraft bei einer Landtagswahl wird, haben die Schätzungen zufolge unter anderem insgesamt 30 000 ehemaligen Wählerinnen und Wähler von SPD und Linkspartei verhindert, die für die CDU stimmten. CDU und AfD vereinen so fast 60 Prozent der Stimmen auf sich – eine klare rechte Hegemonie. Ob angesichts dessen etwas dadurch gewonnen ist, die Wahl der CDU zur antifaschistischen Tat umzudefinieren, wie das der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit der Losung »Jede Stimme für Reiner Haseloff ist eine Stimme gegen die AfD« vorgegeben hat, darf bezweifelt werden.