Marcel Raabe rekonstruiert die letzten Stunden Walter Benjamins

Ein Abendessen gab es nicht

In seinem Buch »Die letzten Stunden Walter Benjamins« rekonstruiert der Autor Marcel Raabe die Ereignisse im Leben des Philosophen vor seinem Tod.

Am Anfang stand ein Zufall: Eigentlich hatte der Leipziger Autor Marcel Raabe im Spätsommer 2015 nach Bilbao fahren wollen, blieb aber im gut 600 Kilometer entfernten Portbou hängen, das direkt an der Grenze Spaniens zu Frankreich liegt. Hier, in einem Zimmer des ehemaligen Hotel Francia, das heute ein einfaches Wohnhaus ist, hatte sich der Philosoph, Literatur- und Kulturkritiker Walter Benjamin in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1940 das Leben genommen; fehlende Papiere für die Ausreise aus Frankreich, deren Besitz schon wenige Tage später nicht mehr nötig gewesen wäre, hatten seinen Plan zunichte gemacht, über Spanien in die Vereinigten Staaten von Amerika zu emigrieren.

Geduldig und beharrlich vergleicht Raabe Daten, Orts- und Personenangaben, bis hin zur unter­schied­lich angegeben Zahl der Morphium­tabletten, mit denen sich Walter Benjamin das Leben genommen hat.

Über die Details seiner Flucht und die genauen Umstände seines Todes herrschte lange Unklarheit. Weniges war bekannt und das, was man wusste, stammte aus zum Teil unzuverlässigen Quellen. Selbst der an Theodor W. Adorno übermittelte Abschiedsbrief ist nur aus zweiter Hand erhalten. Mythen entstanden: Hatte sich Benjamin wirklich das Leben genommen? Was ist mit der geheimnisvollen Aktentasche, die er bei sich getragen haben soll (die bisweilen auch als »monströser« Koffer beschrieben wurde)? Befand sich darin vielleicht ein unbekanntes Manuskript oder die letzte Fassung des »Passagenwerks«, an dem Benjamin im Pariser Exil seit 1927 in der Nationalbibliothek gearbeitet hatte?

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