Der Chefredakteur der »NZZ«, Eric Gujer, und seine Deutschland-Offensive

Ganz andere Vokabeln gewöhnt

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Eric Gujer hat ein Herz für Deutsche. Seit Frühjahr 2015 ist er Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), er hat die sogenannte Deutschland-Strategie erfunden, um auf dem deutschen Medienmarkt zu expandieren. Im Impressum der NZZ sind für das Berlin-Büro mittlerweile eine Korrespondentin und sechs Korrespondenten aufgeführt, seit Juli 2018 hat die Zeitung eine besondere, eigens auf Deutschland zugeschnittene Start­seite, Digitalabos in Deutschland sind deutlich günstiger als in der Schweiz. Vor allem auf diese Weise soll der deutsche Markt erobert werden. Gujer trägt dazu bei, meist verfasst er selbst den freitags erscheinenden Online-Newsletter »Der andere Blick«.

Insbesondere Gujer gilt als verantwortlich dafür, dass die NZZ zur »AfD-Gouvernante« mutierte, wie es die Schweizer Woz 2019 formulierte – »wie das einstige Weltblatt nach rechts kippt, gerade auch mit seiner Deutschlandberichterstattung«. Anlass dafür war ein nur online veröffentlichter Artikel des NZZ-Redakteurs Michael Rasch über Migrations- und Bevölkerungsstatistik in deutschen Städten, der, so die »Anm. d. Red.«, »versehentlich in unredigierter Fassung« publiziert worden sei; auf Twitter wurde er unter den für sich sprechenden Hashtags #urdeutsche und #biodeutsche angekündigt. Im Deutschlandfunk verteidigte Gujer den Autor: »Ich glaube, da war einfach die Wortwahl für sozusagen deutsche Augen ein bisschen problematisch. In der Schweiz hätte das jetzt nicht so Aufsehen erregt, weil wir es unterdessen durch die ja auch rechtspopulistische SVP ganz andere Vokabeln gewöhnt sind.«

Mal geht es Gujer um die »vergiftete Saat der Flüchtlingskrise«, mal um die »Bußrituale der Merkel-CDU«, mal prophezeit er munter, dass »spätestens zur Bundestagswahl 2021 ein Sturm die Zögerer und Zauderer hinwegfegt«, wonach es gerade gar nicht aussieht. Egal.

Lang vorbei ist die Zeit, als die NZZ unter ihrem Chefredakteur Willy Bretscher so klar gegen die Nazis Stellung bezog, dass diese die Zeitung 1938 zur einzigen »Kriegspartei Europas mit Ausnahme der Kommunisten« erklärten. Ein Herz für Ur- und Biodeutsches hatte sie damals jedenfalls nicht.