Dereinst bevölkerten riesen­hafte Faultiere die Erde

Recht auf Faultier

Laborbericht Von

Das Internet hat eine ­Reihe von Lieblings­tieren: Katzen natürlich, aber auch Alpakas, Capybaras (»Wasserschweine«) und die putzigen Quokkas, die Australiens Fauna wohl eigens deshalb hervorgebracht hat, um einen Ausgleich für all das abschreckende Getier zu schaffen, das es sonst dort gibt. Und keinesfalls fehlen dürfen in dieser Aufzählung auch die Faultiere mit ihrem verschmitzten Gesichtsausdruck und ihrer Erhebung zum Wappentier all jener, die dem Arbeitsfetisch nichts abgewinnen können.

Alle sechs heutigen Faultierarten, die sich in zwei Gattungen aufteilen, gleichen sich in Erscheinungsbild und Lebensweise, dem geruhsamen Abhängen im Kronendach des südamerikanischen Regenwalds. Doch das war nicht immer so: Die Paläontologie kennt mindestens 90 ausgestorbene Gattungen, von denen es viele wegen ihrer entschiedenen Unflauschigkeit niemals zu Stars auf Youtube oder Twitter gebracht hätten.

Vertreter der Gattung Megatherium etwa, was übersetzt so viel bedeutet wie »Riesenviech«, erreichten die Größe von Elefanten; sie lebten am Boden und bewegten sich vermutlich ähnlich wie Gorillas im Knöchelgang fort. Und während die Faultiere von heute ihre Klauen dazu brauchen, nicht vom Ast zu fallen und sich nahrhafte Algen aus dem Fell zu klauben, dürften ihre großen Verwandten ihre bis zu 30 Zentimeter langen Klauen auch zur Verteidigung gegen Raubtiere eingesetzt haben.

Niedlich geht anders, aber immerhin gelten die damaligen Riesenfaul­tiere wie die heutigen Arten als friedliche Vegetarier – glaubte man jedenfalls bisher. Mindestens für die Spezies Mylodon darwinii gilt das allerdings nicht: Eine französische Forschungsgruppe hat deren mumifizierte Haare untersucht und ist zu dem Schluss ­gekommen, dass auch Fleisch auf dem Speiseplan der bis zu einer Tonne schweren Tiere stand, und zwar so regelmäßig, dass die Ernährungsweise deutlich am Verhältnis bestimmter Isotope erkennbar ist.

Zum Jagen war Mylodon zu schwerfällig; die Tiere betätigten sich wohl als Aasfresser. Menschen, die nach ihrer Ankunft auf dem amerikanischen Doppelkontinent den Giganten noch begegnet sein dürften, hatten also wenig zu fürchten – eher war es umgekehrt. Zwar ist unklar, ob das Aussterben dieser und anderer Riesenfaultiere auf das Konto des Homo sapiens geht oder das Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren eine wichtigere Rolle spielte; es ist aber schon verdächtig, dass immer, sobald der Mensch den Fuß auf einen neuen Kontinent gesetzt hatte, kurz darauf die dortige Großfauna verschwand.

Unbestritten ist, dass der Mensch die heutigen Faultiere durch die Zerstörung ihres Habitats in Bedrängnis bringt. Den Regenwald zu erhalten, muss deshalb nicht nur wegen solcher Nebensächlichkeiten wie dem Weltklima das Ziel sein, sondern nicht zuletzt, weil doch wirklich niemand auf einem Planeten ohne die tiefenentspannten Sympathieträger leben möchte.