In der Linkspartei halten viele Sahra Wagenknecht für das Hauptproblem

Wenn nur die Sahra nicht wäre

Die Linkspartei diskutiert weiterhin am liebsten über Sahra Wagenknecht. Auch in der Bundestagsfraktion der Partei bleibt fast alles beim Alten.

So sehen Zerfallserscheinungen aus: Am Freitag voriger Woche forderte Maximilian Becker, Vorstandsmitglied der Partei »Die Linke«, via Twitter Sahra Wagenknecht, die wohl bekannteste Bundestagsabgeordnete der Partei, auf, doch endlich zur AfD zu wechseln, weil Wagenknecht sich einmal mehr skeptisch zu Covid-19-Impfungen geäußert hatte. »Wenn eine Person haargenau die gleichen Positionen wie die AfD vertritt, sollte sie sich der Partei auch anschließen und der Linken endlich den Rücken kehren. Es reicht!«, schrieb ­Becker. In einer Antwort auf den Tweet schrieb die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Martina Renner, sie stimme Becker »voll und ganz zu«.

Dass Wagenknecht in der Partei »Die Linke« von vielen nur noch als Belastung wahrgenommen wird, ist kein Geheimnis. Die Co-Parteivorsitzende, Susanne Hennig-Wellsow, erklärte kürzlich, dass sie keine Lust mehr habe, Kommentare zu Aussagen von Wagenknecht abzugeben. Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen, sagt im Gespräch mit der Jungle World, Wagenknecht setze »ihre Politik der vergangenen Jahre fort«, sie kritisiere die Linkspartei von außen, entziehe sich jeder Diskussion und zeige kein Interesse an der Partei.

Die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Susanne Hennig-Wellsow, erklärte kürzlich, dass sie keine Lust mehr habe, Kommentare zu Aussagen von Sahra Wagenknecht abzugeben.

Wahrscheinlich ist es nicht, aber das Problem Wagenknecht könnte sich für die Linkspartei auf parteirechtlichem Weg erledigen. Nach einem gescheiterten Parteiausschlussverfahren im Landesverband Nordrhein-Westfalen steht ein neues Verfahren im Bundesverband an. Schon in Nordrhein-Westfalen hatte das zuständige Schiedsgericht befunden, dass sich Wagenknecht parteischädigend verhalte. Ein Grund, sie dennoch nicht auszuschließen, war, dass die Parteiführung sich nicht klar genug von Wagenknecht abgegrenzt habe. Doch aus der Parteiführung heißt es jetzt auch wieder, dass man sich bei Ausschlussverfahren neutral verhalte.

Eigentlich hätte die Linkspartei auch ohne Wagenknecht genügend Probleme, zum Beispiel das desolate Ergebnis bei der Bundestagswahl im September. Doch als sich die stark geschrumpfte Bundestagsfraktion Ende Oktober zu einer Klausurtagung traf, war das Ergebnis ein armseliges Weiter-so. Ein Papier, dass die Fraktion beschloss, plädiert dafür, sich auf altbekannte Themen zu fokussieren: soziale Sicherheit, Steuern, die Interessen Ostdeutschlands und nicht zuletzt das, was die Partei für Friedenspolitik hält. Die Fraktion wird weiterhin von Amira Mohammed Ali und Dietmar Bartsch geführt. Die beiden sind weder für brillante Reden noch für außergewöhnliche Ideen bekannt. Auch sonst gab es nur wenige Veränderungen im Fraktionsvorstand, und die Veränderungen, die es gab, lassen sich überwiegend damit ­begründen, dass die Vorgänger ihre Mandate verloren haben.

»Von dieser Fraktion wird kein Aufbruch und keine Erneuerung ausgehen. Das muss aus der Partei kommen«, sagt Kathrin Vogler. In welche Richtung die nach Voglers Vorstellung gehen solle, kann man sich allerdings denken: Sie war eine der Abgeordneten, die 2011 die Abstimmung zum Beschluss »Entschieden gegen Antisemitismus« im Bundestag boykottierte, der sonst wohl kaum einstimmig angenommen worden wäre, zudem unterstützt sie die antizionistische »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit«.

Daphne Weber aus dem Parteivorstand will im Gespräch mit der Jungle World den Namen Wagenknecht nicht erwähnen, aber sie sagt: »Wenn Spit­zen­politiker*innen die Programmatik der Partei ändern wollen, müssten sie sich in die Gremien der Partei begeben und dort die Diskussion führen. Manche scheinen auf diesen demokratischen Weg keinen Bock zu haben.« Die Linkspartei habe »eine aktive Basis, wo es gar keine Diskussion mehr ist, dass man für die Rechte von LGBTIQ einsteht und gleichzeitig Arbeitskämpfe unterstützt«, so Weber. Ihr sei »schleierhaft, warum man das gegeneinanderstellt«. Das Problem der Linkspartei sei »eine sich widersprechende Vielstimmigkeit, die uns nicht besonders glaubwürdig aussehen lässt«.

Auch die Parteiführung hat offenbar verstanden, dass die Linkspartei derzeit nicht gut dasteht, und deshalb zu einer ungewöhnlichen Methode gegriffen: Zu einer Vorstandssitzung Anfang ­November hat sie den Soziologen Klaus Dörre und den Journalisten Stephan Hebel von der Frankfurter Rundschau eingeladen. Beide sollten erklären, wo sie Mängel bei der Partei sehen und was »Die Linke« aus ihrer Sicht besser machen könnte. Dörre plädierte für das Zusammenführen von Ökologie und so­zialen Gerechtigkeitsfragen sowie dafür, dass die Partei eine gemeinsame Utopie entwickeln müsse. Auch Hebel forderte die Partei auf, mehr Utopie zu wagen. Sie müsse verdeutlichen, dass es Freude bereitet, für eine bessere Welt zu kämpfen. Außerdem müsse die Partei ihre Rolle als linke Opposition zur Ampelkoalition annehmen. Beide kritisierten die Rolle von Sahra Wagenknecht, deren Positionen seien schädlich für die Linkspartei.