»Wir haben ein strukturelles Problem«
Was hat euch zur Arbeit an dem Dokumentarfilm bewogen?
Ich war selbst 2018 auf dem Festival »Monis Rache« und bin daher potentiell Betroffene. Das Ganze hat mich sehr getroffen, es ließ mich nicht mehr los. Gleichzeitig kam ich mir auch naiv vor, da ich nicht wusste, dass es eine ganze Reihe von Tätern und Taten im Hinblick auf bildbasierte sexualisierte Gewalt gibt. Es handelt sich dabei ja nicht nur um das Anbringen von Spy-Cams. Ich habe dann recherchiert und Verbündete gesucht. Mit dabei sind als Produzentin und zur inhaltlichen Unterstützung Luisa Izi Paul und die Kamerafrau Carolin Hauke.
Was fehlt eures Erachtens in der öffentlichen und juristischen Debatte über bildbasierte sexualisierte Gewalt?
Es wird überhaupt nicht beim Namen genannt, was passiert ist. Oft gelten die Taten nicht als sexualisierte Gewalt, sndern als Eingriff in einen höchstpersönlichen Lebensbereich. Das klingt für mich viel zu verharmlosend.
Welchen gesellschaftlichen Veränderungsprozess erhofft ihr euch durch die Doku?
Mir ist es wichtig, das Thema von möglichst vielen Seiten zu betrachten. Die Diskussion endet meistens dabei, dass Gesetze verschärft werden müssen. Die Übergriffe werden aber nicht weniger, wenn wir einfach nur Gesetze ändern. Viel eher haben wir hier ein strukturelles Problem, das von verschiedenen Seiten angegangen werden muss. Daher soll der Film vier Themenblöcke behandeln: Die Verantwortung von Internetplattformen, wie Medien mit Betroffenen umgehen, die juristische Dimension solcher Taten und nicht zuletzt, wie Communities mit sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen umgehen. Es ist mir wichtig, deutlich zu machen, dass ein Verbot von Pornoplattformen wie xHamster nichts nützen würde, da sich diese Gewalt auch auf Facebook, in Telegram-Gruppen, auf Discord-Servern oder anderen Plattformen finden lässt und dass einzig ein gesellschaftlicher Wandel solche Vorfälle verhindern würde.
Warum ist es wichtig, Betroffene als Protagonistinnen des Films selbstbestimmt für sich sprechen zu lassen?
Das ist meines Erachtens die einzige Art, darüber zu sprechen. Das ist das große Anliegen des Films: Betroffenen einen Raum zu geben, in dem sie sich wohlfühlen und in dem sie darüber sprechen können. Ich selbst denke, dass viel zu häufig über Betroffene sexualisierter Gewalt gesprochen wird und viel zu selten mit ihnen.
Der Film wird über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert. Was hat euch dazu bewogen?
Für diesen Film ist es total wichtig, dass unsere Arbeit kreativ und unabhängig bleibt. Gerade in Deutschland werden Filme ja häufig in Koproduktion mit Sendern veröffentlicht. Da der Film gerade Medien kritisiert, haben wir diese Finanzierungsform gewählt.
Sofern der Film einen Appell an Täter wie Henning F. richten soll: Wie könnte dieser aussehen? Sollte es überhaupt einen geben?
Ich spreche hier nur für mich: Mich interessiert gar nicht mehr, was er tut und denkt. Viel wichtiger ist für mich die Betroffenenperspektive. Warum sprechen sie nicht, oder vielmehr: Warum wird ihnen nicht zugehört? Daher richtet sich der Appell an alle, sich mit den Verhältnissen zu befassen, die diese Form von Gewalt hervorbringen.