Die Revue über Britney Spears’ Schicksal im Berliner Ensemble

Britney Spears rasieren

Das Tanztheaterstück »It’s Britney, Bitch!« im Berliner Ensemble feiert die Befreiung eines weiblichen Popstars.

Die Idee, die Lebensgeschichte von Britney Spears auf die Bühne zu bringen, scheint in der Luft zu liegen. Erst im November hatte das Musical »Once Upon a One More Time« der Shakespeare Theatre Company in Washington, D.C., Premiere. Die Karriere der Sängerin wird darin anhand von Figuren wie Schneewittchen oder Aschenputtel dargestellt, wie sie das US-amerikanische Publikum aus den Disney-Verfilmungen kennt. Im Verlauf der Handlung werden die naiven Schönen mit Betty Friedans 1963 erschienenem Buch »Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau« konfrontiert. Friedan kritisiert darin die ­Zurichtung der Frau in der Werbung und in den Massenmedien und zeigt Wege, wie Frauen nach ihrem eigenen Glück streben können.

Die junge Regisseurin Lena Brasch und die Schauspielerin Sina Martens setzen sich nun in einer Performance am Berliner Ensemble mit der Geschichte von Britney Spears und ihrer Wirkung als Pop-Ikone auseinander. Das Tanztheaterstück »It’s Britney, Bitch!«, das am 7. Januar im Werkraum des Berliner Ensembles Premiere feierte, möchte wie das US-amerikanische Musical eine feministische Sicht auf die steile Karriere der Popsängerin, die in der Jugendserie »Mickey Mouse Club« ihren Anfang nahm, etablieren.

Dem Schicksal einer von Kindesbeinen an aufs Pop-Business getrimmten Frau, die selbst als Erwachsene wichtige Entscheidungen ihres Lebens nicht frei treffen konnte, etwas Universelles abgewinnen zu wollen, ist ein wenig vermessen.

Im vergangenen Jahr ist in der Causa Spears einiges passiert. Nach 13 Jahren unter der Vormundschaft ihres Vaters hob ein US-amerikanisches Gericht diese auf. Der Kampf gegen die Vormundschaft, die Spears öffentlich als Versklavung bezeichnet hatte, floss in die Arbeit der vier am Stück beteiligten Autorinnen ein; neben Brasch sind das Laura Dabelstein, Miriam Davoudvandi und Fikri Anıl Altıntaş.

Das Stück konzentriert sich ganz auf das sogenannte Krisenjahr im Leben der Künstlerin. 2007 machte Spears durch Abstürze und Skandale von sich reden. Ihre Ehe mit Kevin Federline war gescheitert; das Sor­gerecht für die gemeinsamen Kinder wurde dem Vater zugesprochen. Spears durfte die Kinder nur unter Auflagen besuchen. Am 6. Februar des Jahres rasierte sie sich in einem Frisiersalon in Los Angeles öffent­lich eine Glatze. Viele Fans waren schockiert; die yellow press sprach von einem Tiefpunkt ihres an Skandalen reichen Lebens. Die Journalistin Jenni Zylka hingegen schrieb Ende 2007 in der Taz: »Britney ist nicht länger das Dreamgirl der Massen, das erwachsen gewordene Popprinzesschen, die Anwärterin auf Madonnas mit Ehrgeiz, Fleiß und Schweiß zusammengekneteten Thron. Sondern eine Aussteigerin. Eine Studienabbrecherin. Eine wirklich interessante Frau.«

So sehen es auch Lena Brasch und ihr Team. Sie schlagen vor, die Kopfrasur als radikale Geste der Emanzipation zu verstehen, als Versuch einer Musikerin, die mal in eine Schulmädchenuniform, mal in einen roten Latexanzug gesteckt wurde, aus der Fremdbestimmung durch die Musikindustrie sowie durch die Familie auszubrechen.

Diese Befreiung bringt die Schauspielerin, Tänzerin und Sängerin Sina Martens in einer Ein-Frau-Performance auf die Bühne. In kurzen Monologen spricht sie über Medien, Wahrheit, Sexismus, Mode, Romantik und über ihren Vater. Zwischendurch erklingen immer wieder Spears-Songs, die Sina Martens teilweise selbst singt. Aber auch Einspieler von Interviews mit Britney Spears sind zu hören.

Ein Spiel mit Identitäten: Mit der blonden Perücke sowie später am Abend mit der berühmten Glatze kommt die Figur auf der Bühne dem Äußeren des Superstars nahe. Dass sie Spears sei, behauptet das Stück jedoch an keiner Stelle. Sina Martens spricht häufig über den Popstar, ganz so, als sei sie selbst ein Fan oder eine Beobachterin. Das bewirkt einen gewissen Verfremdungseffekt. Wer spricht, wenn Sina Martens spricht, ist oft unklar. Der Eindruck mag dadurch verstärkt werden, dass die Monologe über wechselnde Themen von unterschiedlichen Autorinnen verfasst wurden.

Gezeigt wird keine gestandene Frauenfigur, sondern eine, die auf der Suche ist und scheinbar zu allem etwas zu sagen hat. Die Figur ist infantil und oberflächlich. Platitüden sondert sie reichlich ab. Über Journalismus und Wahrheit heißt es, dass nur der humorvolle Journalismus die Wahrheit ganz abbilden könne, denn zur Wahrheit gehöre neben dem Gesagten auch immer das Ungesagte. An anderer Stelle heißt es, dass Nachdenken Falten produziere und es den Leuten deshalb heutzutage an Falten fehle.

In Fragen der Liebe und Romantik lautet ihre Erkenntnis, dass sie »zu Ende geliebt werden« möchte. Das wäre doch mal »ein Ziel«. Die Figur bemerkt, dass Spears schon 2004 in ihrem Song »Toxic« von toxischer Männlichkeit gesungen habe. War Spears dem Mainstream-Diskurs etwa um Längen voraus? Das ist in Anbetracht der Song-Zeilen »Don’t you know that you’re toxic?/And I love what you do« natürlich Blödsinn. Der Text ist keine Problematisierung von toxischer Männlichkeit, sondern bestätigt diese geradezu.

Der Höhepunkt des Abends ist erreicht, wenn der Monolog sich dem Vater widmet. Die Protagonistin erkennt, dass ihr Vater sie nicht geliebt hat. Sie stellt pathetisch die Frage: »Kann man lieben, wenn man selbst nicht geliebt wurde?« Deutlicher kann man die Verantwortung für die eigene Liebespraxis wohl kaum zurückweisen. Die Figur verharrt in Passivität. Es ist schwer zu sagen, ob Lena Brasch und ihr Team ihre Figur vorführen wollen, wie man es als Strategie etwa aus Coming-of-Age-Romanen kennt. Infantilität wird dort als Erkenntnispotential begriffen, das sich erst noch entfalten muss. In »It’s Britney, Bitch!« ist dieses Potential jedoch selten spürbar.

Ständig wird mit den Augen gezwinkert: Bitte nicht alles so ernst nehmen! Am Ende geht es um die »Britney in uns allen«. Stress mit dem Vater, Bad-Hair-Days, Filmrisse, man kennt das. – Wirklich? Dem Schicksal einer von Kindesbeinen an aufs Pop-Business getrimmten Frau, die selbst als Erwachsene wichtige Entscheidungen ihres Lebens nicht frei treffen konnte, etwas Universelles abgewinnen zu wollen, ist ein wenig vermessen. Und obwohl die eingespielten Interviews, in denen übergriffige Journalisten Spears auf ihre Jungfräulichkeit und ihre Brüste angesprechen, als Dokumente eines normalisierten Sexismus schockieren, reichen ein paar Einspieler nicht aus, um den Eindruck eines reichlich belanglosen Liederabends zu zerstreuen.

It’s Britney, Bitch! Regie: Lena Brasch. Mit Sina Martens. Berliner Ensemble, Berlin. Nächste Aufführung: 14. Februar