Imprint: Louis Haeussers Karriere als Wanderprediger und Politiker in der Weimarer ­Republik

Die Diktatur der Wahrheit

Louis Haeusser wurde vom Sektfabrikanten am Ende des Ersten Weltkriegs zum Wanderprediger in den frühen Zwanzigern mit fanatischer Gefolgschaft und ausverkauften Sälen und dann zum Politiker. Er hatte nie den Erfolg, den seine grandiosen Titel und Manifeste ankündigen. Aber er liefert doch eine Blaupause dessen, was im Deutschland der zwanziger Jahre schiefgelaufen ist.
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In Bönnigheim zählt Louis Haeusser zu den großen Söhnen der Stadt. Die offizielle Website hält ein ausführliches Porträt von ihm, dem »Heiland von Bönnigheim«, bereit. Geboren Ludwig Christian Haeusser hier am 6. November 1881. Adam Friedrich Haeusser, ein Weinbauer, hat für seinen Sohn Viehhaltung und Feldarbeit vorgesehen. Weil der junge Ludwig Bücher mag und ein hervorragendes Gedächtnis besitzt, muss er erst recht von vier Uhr früh bis zum Schulanfang und von Schulschluss bis Mitternacht auf dem Hof schuften. Vergehen bedeuten Prügel, oft genug wird er in den Schweinestall gesperrt. Zur Konfirmation lässt der Vater ihn ziehen, zur Kaufmannslehre nach Stuttgart. Mit 17 geht er nach England, gegen den Wunsch der Familie, vom selbst ersparten Geld, und von dort 1900 weiter nach Paris.

Nun nennt er sich »Louis« und wird zum Trickser. Als Chef einer zwielichtigen Firma organisiert er von offiziellen Industrie- und Handelsvertretern nicht legitimierte Messen, die der vorwiegend russischen Kundschaft und ihren Produkten Pariser Qualitätsmedaillen zukommen lassen. Haeusser wird ­dafür kurzzeitig verhaftet, aber vor allem reich. 1905 heiratet er und ­notiert mit Stolz die hochadeligen familiären Verflechtungen der ihm nun angetrauten Gabrielle Grange, abstammend von französischen ­Königen und verwandt mit dem belgischen Königshaus. 1909 wird sein Sohn Louis Gabriel Robert geboren, die junge Familie lebt nahe der ­Avenue des Champs-Élysées.

1919 zieht Haeusser in Württemberg und Baden umher, predigt auf Straßen und in kleinen Sälen, wird alle paar Tage wegen Nacktheit und dergleichen verhaftet, schläft im Straßengraben.

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