Freundschaft, Tampons und ­geklauter Alkohol

Freundschaft, Tampons und geklauter Alkohol

Klassenkampf Von

Als ich in der Mittelstufe war, hatten wir im Neubau ein paar recht saubere Toiletten. Allerdings musste man, um sie zu benutzten, zunächst den Altbau der Schule aufsuchen, sich dort im Sekretariat gegen Unterschrift den Toilettenschlüssel aushändigen lassen und diesen dann innerhalb von maximal 30 Minuten gegen eine erneute Unterschrift wieder abgeben. Die Schulleitung vertrat die Ansicht, allein diese Regelung garantiere, dass der Zustand der Neubautoiletten auch weiterhin mit »recht sauber« treffend beschrieben werden könne, und verwies bei Kritik auf den Zustand der Altbautoiletten, die man uns schutzlos ausgeliefert hatte, mit dem Ergebnis, dass sie zu seltsamen Orten geworden waren, die man sich nicht vor Vollendung der achten Klasse aufzusuchen traute. Man tat dies zudem grundsätzlich nicht, um seine Notdurft zu verrichten, sondern um eines jener Verbrechen zu begehen, die man überhaupt nur während der Schulzeit begehen kann. Denn im Kindergarten hat man Besseres zu tun, als auf dem Klo sitzend geklauten Alkohol zu trinken, und nach der Schulzeit interessiert es keinen mehr so richtig, ob man sich besäuft oder schwängern lässt, raucht, blutige Tampons an die Decke wirft oder mit Edding »Analsex Pimmel im Po« an die Wand schreibt, solange man das bei sich zu Hause tut. Trotzdem war es ungerecht, die Altbautoiletten als Ausweis unserer Zerstörungswut anzuführen, denn sie sachgemäß zu nutzen, wäre unmöglich gewesen: Sie führten kein Wasser mehr, die Türen schlossen nicht und die Kloschüsseln waren zersprungen, zudem roch es schlimm nach Pubertät mit Urin und die Abflüsse waren mit einer unappetitlichen Mischung aus Haaren, Papiertaschentüchern, Tampons, Haargummis, anderen Gummis und undefinierbarem Schleim verstopft. Letzteres weiß ich, weil einer Freundin von mir mal ein Ring in den Abfluss eines Waschbeckens gefallen ist, worauf sie das verrostete Abflussrohr abtrat und seinen Inhalt durchsuchte. Geholfen habe ich ihr damals nicht, aber ich habe interessiert zugeschaut und sie getröstet, wenn sie zu sehr würgen musste, man hat halt nie wieder so gute Freundinnen wie mit 15.Insgesamt ist es vermutlich zu begrüßen, dass die Toiletten in der Schule, an der ich heutzutage unterrichte, in ihrer strahlenden Reinheit und fast schon penetranten Funktionalität einer anderen Welt anzugehören scheinen als unsere Altbautoiletten von damals. Zumindest die fehlende Beschriftung stimmt mich aber traurig – sicher, das Internet bietet effektivere Kommunikation und verständlichere Aufklärung als eine Toilettenwand, aber malt jetzt überhaupt noch jemand 14 Penisse irgendwohin und schreibt »14 Penisse« oben drüber und gibt sich dafür 14 von 14 Punkten und eine Eins? Eben. Das ist doch schade.