Der Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A 100

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Das Bundesverkehrsministerium hat bekanntgegeben, den umstrittenen Ausbau der Berliner Stadtautobahn A 100 weiterzuführen. Der Berliner Senat wurde nach eigenen Angaben zuvor nicht informiert.
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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) will es aus der Zeitung erfahren haben: Das Bundesverkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) setzt den Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A 100 in Gang. Am Dienstag vergangener Woche schrieb die bundeseigene Autobahn GmbH den Auftrag zur Planung des 17. Bauabschnitts aus. Dieser soll die Stadtautobahn von Treptow bis Lichtenberg verlängern. Der 16. Abschnitt von Neukölln nach Treptow ist derzeit im Bau und soll 2024 fertiggestellt sein.

Die Ausschreibung ist der erste Schritt zur Realisierung des umstrittenen Vorhabens. Kritiker sehen es als ein Überbleibsel aus der Zeit der ›autogerechten‹ Stadtplanung, dessen Umsetzung sich heutzutage aus ökologischen und sozialen Gründen verbiete. Die Berliner Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und »Die Linke« sind in der Frage des Weiterbaus der A 100 gespalten. Linkspartei und Grüne sind dagegen, die SPD unter Giffey ist mehrheitlich dafür. Nach der Abgeordnetenhauswahl im vergangenen Jahr hatten sich die drei Parteien geeinigt, den 17. Bauabschnitt nicht voranzutreiben.

Vielleicht hat Giffey von der Ausschreibung nicht buchstäblich bei der morgendlichen Zeitungslektüre erfahren. Mit der Umsetzung dieses Vorhabens zu beginnen, ohne die Landesregierung zuvor zu konsultieren, lässt sich dennoch als Affront des zuständigen Bundesverkehrsministeriums ansehen. Dies umso mehr, als die Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Daniela Kluckert, die auch Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium ist, die Ausschreibung in einem Interview mit der Berliner Morgenpost bekanntgab und dekretierte: »Es wird weiter gebaut.«

Das erweckt den Eindruck, die FDP, die in Berlin vergebens auf eine Regierungsbeteiligung gehofft hatte, versuche, ihre verkehrspolitischen und stadtplanerischen Ziele nun aus der Bundesregierung heraus durchzudrücken. Erst Anfang des vergangenen Jahres hatte der Bund die Zuständigkeit für Planung, Bau und Betrieb der Bundesautobahnen von den Ländern übernommen. Allerdings dürfte es der FDP nicht nur um die Berliner Autofahrerinnen und Autofahrer gehen. Von manchen Linken wird die FDP immer noch als Organi­sation marktradikaler Anhänger der totalen Deregulierung angesehen, ohne Zweifel ist sie die am offensten und offensivsten klientelistisch agierende Partei hierzulande.

Aufgrund seiner komplizierten Verkehrsführung – es sind Brücken und Tunnel zu errichten –, wird der 17. Abschnitt der A 100 besonders teuer. Die Baukosten für die gut vier Kilometer schätzen Experten dem RBB zufolge mittlerweile auf bis zu eine Milliarde Euro. In Zeiten drohender Rezession ist das ein schönes Konjunkturpaket für die Berliner Bauwirtschaft. Bundesverkehrsminister Wissing brüskiert dabei nicht nur die Berliner Landesregierung, sondern hat auch die zwischen den Koalitionsparteien der Bundesregierung vorgesehene konsensuale Verständigung über laufende Autobahnprojekte nicht eingehalten. Das verwundert allerdings nicht. Die FDP hat in den vergangenen Monaten gelernt, dass sie in der Bundespolitik eigenmächtig agieren kann, wenn die SPD passiv bleibt; die Grünen haben dabei in der Bundesregierung das Nachsehen. So ist denn auch der Vorschlag der in Berlin mitregierenden Linkspartei, das Bundesverfassungsgericht gegen den Weiterbau der A 100 anzurufen, vor allem Ausdruck politischer Hilflosigkeit.

So nervig manche der neuen ökologischen Aktivistengruppen in ihrem Auftreten sein mögen, die endgültige Entscheidung über den Weiterbau der A 100 dürfte nicht in Koalitionsrunden und Vermittlungsausschüssen fallen. Sie wird vielmehr davon abhängen, wie breit und intensiv in den kommenden Jahren der Widerstand gegen dieses anachronistische Vorhaben in der Stadt sein wird.