Die Kolumnistin muss sich erst daran gewöhnen, dass sie nun ein Jahr frei hat

Auf dem Pony Richtung Horizont

Klassenkampf Von

Ich mache jetzt übrigens ein Sabbatjahr, arbeite nicht, bekomme trotzdem Geld und pudele nur herum – klingt großartig, nicht? Nur, natürlich ist das wieder nicht so einfach: Zuerst muss man nämlich das Herumpudeln wieder erlernen und das wiederum ist harte Arbeit. Herumpudeln war früher mal eine meiner Kernkompetenzen, aber nach zehn Jahren als Lehrerin ist von dieser Fähigkeit nicht viel übriggeblieben, stattdessen kann ich jetzt gut aufgeregt herumlaufen, laut sprechen und Deadlines einhalten. Wikipedia hat mir erklärt, dass das Wort Sabbatjahr vom hebräischen Schmitta oder, kicher, Schnat schmitta (so süß!) stammt und eigentlich ein Ruhejahr für Äcker meint, die der Tora zufolge nach sechs Jahren Bewirtschaftung ein Jahr lang brachliegen sollen. Und das zu machen ist halt gar nicht so einfach, wenn man viele Jahre lang alles aus seinem kleinen Acker herausgeholt hat. Man sieht das Äckerlein faul in der Sonne herumliegen und hat ständig das ungute Gefühl, dass das so nicht in Ordnung sei, und schon hat man das Pony vor den Pflug gespannt und ist dabei, alles ganz falsch zu machen.

Aber ich mache Fortschritte. Konnte ich in den ersten Tagen beispielsweise höchstens einen halben Zeitungsartikel lesen, bevor ich dachte, ich sollte jetzt mal was an die Tafel schreiben oder eine Arbeit korrigieren oder wen anschreien, sind es inzwischen drei Artikel, die ich lesen kann, bevor ich mein Pony aus dem Stall hole. Leider ist die Entwicklung nicht linear, es gibt auch Rückschläge, und das ist natürlich auch nicht gut für das Pony, das einfach gerne wüsste, ob es jetzt den Pflug ziehen oder herumstehen soll. Das Pony ist, ähnlich wie die Katze, ein Gewohnheitstier und mag keine Planänderungen, meines jedenfalls. Die Katze schaut derweil spöttisch drein, während sie beobachtet, wie ich das Pony nicht in Ruhe lassen kann und ständig irgendwas putze, weil ich ja zu Hause keine Klassenarbeiten oder Tafeln habe, oder jemanden, der sich einfach so anschreien lässt. Dabei sollte die Katze dringend mal über ihr eigenes Leben nachdenken, weil das ja auch nicht normal ist, dieser komische Waschzwang, sage mal der Katze, dass sie sich ein Jahr lang nicht ablecken darf, schön wird das nicht. Andererseits macht die Katze das ja nicht für Geld, das ist ihre self-realization, das Lecken.

Und seht ihr, das muss ich jetzt eben herausfinden: Wie wir uns am besten realisieren können, mein Pony und ich. Vorläufig experimentieren wir mit Bier, aber am Ende ist die Antwort natürlich wahrscheinlich was ganz anderes, Yoga vielleicht oder Scherenschnitt. Jedenfalls werde ich einen Bogen um die wirklich schlimmen Drogen machen und euch in einem Jahr dann erklären, was ich herausgefunden habe, versprochen. Bis dahin: Macht’s gut und nehmt euch, wenn ihr irgendwie könnt, mal Zeit für euer Pony, es braucht euch!

Dies ist die vorerst letzte Kolumne von Liselotte Kreuz. Ab August schreibt an dieser Stelle eine neue Kolumnistin.