Die verstorbene britische Königin Elisabeth II.

Monarchie und Alltag

Mit dem Tod von Königin Elisabeth II. endete eine Epoche.

Wenn am kommenden Montag nach dem Gottesdienst in der Westminster Abbey der innen mit Blei ausgeschlagene, rund eine halbe Tonne schwere Sarg von Königin Elisabeth II. auf einem von 138 Marinesoldaten gezogenen grünen Geschützwagen nach Windsor Castle gebracht wird, ist das durchaus ein Beleg für den Pragmatismus der britischen Monarchie: Was nach viele Jahrhunderte alter Tradition aussehen wird, entstand nämlich erst vor 121 Jahren während der Beerdigungszeremonie für Königin Victoria durch einen ungeplanten Zwischenfall. Eigentlich sollten Schimmel den Wagen ziehen, aber die Tiere waren unpässlich, und so sprang ein Pulk von jungen Seeleuten ein, die eigentlich nur den Trauer­umzug sehen wollten.

Taugt diese Anekdote als Antwort auf die Frage, wie es nach dem Tod der ­Königin mit der Monarchie weitergehen wird? Warum nicht? Bisher überstand sie jeden Skandal und jede Krise, was natürlich keine Garantie ist, dass das immer so weitergehen wird, aber genau weiß das eben niemand.

Dass Elisabeth II. im Sterben lag, konnte die Öffentlichkeit einem ärztlichen Bulletin und einem jeglichen Alarmismus verweigernden BBC-Kommentar entnehmen. »Der Gesundheitszustand Ihrer Majestät hat eine neue Richtung genommen«, lautete er, und als die Fernsehreporter plötzlich schwarze Anzüge und Krawatten trugen, wussten die Zuschauer bereits, dass die Königin verstorben war.

Auf der ganzen Welt begannen Redaktionen, die schon lange vorbereiteten Nachrufe auf Elisabeth II. zu überarbeiten. Rasch zeigte sich, dass die Gerüchte, wonach zumindest britische Zeitungen für den Todesfall teils mehr als 150 Beiträge über ihr Leben angesammelt hatten, stimmten: Vom Guardian bis zur Sun wurden in stakkatoartigem Tempo Texte, Bildstrecken und Videos veröffentlicht. Alles, wirklich alles, wurde in den vergangenen Tagen von praktisch jeder Zeitung des Planeten noch einmal erzählt, vom kenianischen Hotelaufenthalt in einem Baumhaus, das sie als Kronprinzessin bestieg und als Königin wieder verließ, über den Rassisten und Rassistinnen schwer empörenden Tanz mit Präsident Kwame Nkrumah während eines Staatsbesuchs in Ghana 1961 bis hin zu ihrer Meisterschaft im Senden subtiler Signale, wozu gehörte, dass sie während eines Treffens mit US-Präsident Donald J. Trump demonstrativ eine Brosche trug, die ihr dessen Vorgänger Barack Obama geschenkt hatte.

Und nun stehen Millionen Briten und Touristen geduldig Schlange, um sich von der Queen zu verabschieden. Was sie im einzelnen genau bewegt, ist ebenso unklar wie die Zukunft der Mo­narchie. Allerdings gaben selbst überzeugte Gegner des Königshauses in Interviews an, überrascht davon zu sein, wie sehr sie die Nachricht vom Tod der Königin getroffen habe. Einer der Gründe für die weltweite Betrübtheit dürfte allerdings die notorische Langlebigkeit der britischen Throninhaber sein; nicht viele Menschen können sich an die letzte Beerdigung eines Monarchen erinnern, entsprechend will man nun beim historischen Event dabei sein, es weiß ja niemand, wie alt König Charles III. werden wird.

Ein weiterer Grund ist sicher das wenige Gedöns, das die Queen ausgerechnet als Vertreterin von pomp and circumstances um sich machte. In einer Welt, die vor lauter Ego-Mimimi nur so strotzt, ist das von Elisabeth II. so perfekt vorgelebte Motto »never complain, never explain« die absolute Ausnahme. Dass die zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon bettlägerige und todkranke Monarchin darauf bestand, die neue Premierministerin Liz Truss zu empfangen, und nicht etwa Prinz Char­les damit beauftragte, passt dazu (insgesamt erlebte die Queen inklusive Truss 15 verschiedene Regierungsführer).

Es geht also eine Epoche zu Ende, und wie immer in solchen Fällen lautet die große Frage: Dürfen Linke das? Also es schade oder traurig zu finden, dass die Königin nun tot ist. Und daran zu erinnern, dass es einige sehr lustige Videos von ihr gibt, wie zuletzt jenes, als sie anlässlich des Platin-Thronjubiläums im Juni Paddington Bear zum Tee mit Marmeladensandwich empfing. Paddington Bear ist nicht irgendein Bär, sondern wurde von Kinderbuchautor Michael Bond 1958 in Erinnerung an die jüdischen Kinder erschaffen, die im Rahmen der Kindertransporte nach Großbritannien vor den Nazis in Sicherheit gebracht werden konnten, und in Erinnerung an die Londoner Kinder, die zum Schutz vor Bombenangriffen aufs Land evakuiert wurden. »Thank you Ma’am, for everything«, twitterte der Inhaber des Paddington-Accounts in Erinnerung an die Queen, die im Zweiten Weltkrieg LKW fuhr und Mechanikerin war.

Also darf man es nun traurig finden, dass die Königin tot ist? Geht es nach rechten Verschwörungsanhängern, nein, denn die in derartigen Kreisen gern als »Lizard Liz« Bezeichnete war im Prinzip so eine Art George Soros mit Krone auf dem Kopf, also Teil jener »Elite«, die irgendwie die Welt ausrotten, verschwulen und was nicht noch alles will.

Aber auch Linke finden, dass es um Elisabeth II. nicht schade ist, schließlich profitieren die Royals noch heute von ihren mörderischen Vorfahren, und an ihren Händen klebt daher immer noch das vergossene Blut Unschuldiger, was zumindest für deutsche Nazi-Nachkommen eine eher aparte Argumentation ist. Mit anderen Worten: Die Königin ist tot, und ob sie das schade, egal oder erfreulich finden, können alle für sich selber entscheiden. Lang lebe der König.