Feministischer Universalismus und der Aufstand im Iran

Die Haare der anderen

Der Stand der Bewegung Von

Was tun, wenn im Patriarchat anderswo eine Revolution losbricht, die sich mit Fug und Recht als feministisch bezeichnen lässt?

Kürzlich sollte Mina Ahadi, exiliranische Kommunistin und Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, in Leipzig einen Vortrag über reproduktive Selbstbestimmung im Iran halten. Aufgrund ihres Engagements für die Proteste, die auf die Ermordung von Jina Mahsa Amini folgten, erhielt Ahadi, wie schon oft in den vergangenen Jahren, Todesdrohungen: Sie werde die Woche nicht überleben, der Veranstaltungsort werde in die Luft gehen. Ungewöhnliche Ereignisse im – was Islamismus angeht – relativ verschlafenen Leipzig. Das fand auch die Polizei, die zwar einen Bombenspürhund zusagte, ansonsten aber die Verantwortung für den Abend dem Veranstalter, der Gruppe Pro Choice, überließ. Nach längerem Hin und Her, wie ein Sicherheitskonzept in Eigenregie aussehen könnte, entschied die Gruppe, den Vortrag online stattfinden zu lassen. In der Linken blieb der Vorfall weitgehend undiskutiert – vermutlich aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus, wie es sich einstellt, wenn eine enorm repressive politische Macht ihre Arme ins eigene beschauliche Nest streckt.

Was tun gegen die Ohnmacht? Das in den vergangenen Jahrzehnten eingeübte linke Repertoire trägt nicht mehr, wenn Kriege und revolutionäre Erhebungen näherrücken. Es braucht keine abstrakt bleibenden Solidarisierungen mehr, die am meisten der Selbstversicherung dienen. Es braucht keine Kundgebungen und Demonstra­tionen mehr, deren Redebeiträge sich vornehmlich an die eigenen Leute richten. Vor allem braucht es keine Beteuerungen mehr, über das Patriarchat andernorts ­könne man mangels eigener Betroffenheit nicht urteilen.

Um sich mit den revolutionären Erhebungen im Iran zu solidarisieren, muss ernsthaft gefragt werden, welche Rolle die feministische Linke in Deutschland dabei übernehmen kann. Der Aktionsspielraum muss neu ausgelotet, die eigene, vergleichsweise geringe Gefährdung ein­geschätzt werden – gerade in der Zusammenarbeit mit Exiliranern und -iranerinnen, die ihr Leben ris­kieren. Ist es in Ordnung, temporär nur eine Helferinnenrolle zu übernehmen, beispielsweise durch ­Übersetzen, oder muss man die eigene Stimme erheben? Wie sinnvoll ist es, laufend die Geschehnisse im Iran auf sozialen ­Medien zu verfolgen und die Informationen weiter­zuverbreiten? Und wo läuft man Gefahr, die starke Symbolik brennender Hijabs und ­abgeschnittener Haare an die Stelle der notwendigen Kämpfe gegen das Patriarchat hierzulande zu setzen?

Feministischer Universalismus bedeutet, sich in Beziehung zur Situation von F­rauen und queers zu setzen, die anderswo kämpfen – ohne sich umstandslos mit ­ihnen zu identifizieren. Nur so können wir ein Scherflein zum Sturz frauenfeindlicher Regimes beitragen.