Ein Weggefährte der Enteigneten
»Die Formel zum Sturz der Welt haben wir nicht in Büchern gesucht, sondern auf Irrfahrten«, heißt es in Guy Debords letztem Film »In girum imus nocte et consumimur igni« (»Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verzehrt«) von 1978. Dieser Satz könnte auch als Motto über der Biographie von Jean Malaquais stehen, 1908 als Wladimir Malacki in ein verarmtes, säkulares jüdisches Elternhaus in Warschau geboren. »Die Enge seines Elternhauses, die Allgegenwart der Bücher, in denen sein Vater in jeder freien Minute und selbst am Abendbrottisch las, empfand er bald als erstickend«, schreibt Nadine Püschel im Nachwort des von ihr übersetzten Romans »Planet ohne Visum« (»Planète sans visa«), der 1947 in Frankreich veröffentlicht wurde und erst jetzt auf Deutsch vorliegt.
Mit 17 Jahren floh Malaquais vor der Beengtheit des jüdischen Viertels Muranów und dem Antisemitismus in Polen. Seine persönlichen Irrfahrten führten ihn nach Rumänien, in die Türkei, nach Palästina und Ägypten und schließlich nach Frankreich, das für die nächsten Jahre seine Wahlheimat wurde. »Ich hatte das Gefühl, dass sich in Polen das Ende der Welt abzeichnete, und so wollte ich das Leben in anderen Ländern kennenlernen.« Er sei, schreibt er später über seine Entscheidung, Polen zu verlassen, moralisch und intellektuell ein Landstreicher, ein Weggefährte der Enteigneten gewesen. Das ist Malaquais bis an sein Lebensende geblieben. Als »wurzelloser Kosmopolit« blickte er vom Rande der Gesellschaft mit kritischem Blick auf das Weltgeschehen.
Bereits die ersten Sätze machen die Ambivalenz der Stadt deutlich, die einen kosmopolitischen Geist atmet, unter deren Oberfläche aber auch die Gewalt und Korruption zunehmen.
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