In der Slowakei hat ein rechtsextremer Attentäter zwei Menschen umgebracht

Mit Memes zum Mord

In Bratislava ermordete ein rechtsextremer Terrorist Besucher einer queeren Bar. Er hinterließ ein Manifest mit homophoben und antisemitischen Inhalten.

Am Abend des 12. Oktober eröffnete ein Mann vor der LGBT-Bar Tepláreň in der Innenstadt von Bratislava das Feuer, tötete zwei Männer und verletzte eine Frau. Am nächsten Morgen wurde er tot in der Stadt aufgefunden, die slowakische Polizei geht von Selbstmord aus. Der 19jährige Juraj Krajčík soll die Tat in sozialen Medien angekündigt, sich hinterher dazu bekannt und Botschaften gepostet haben, auch eine Art Manifest, in dem er die LGBT-Community und Juden als »Feinde der weißen Rasse« bezeichnete und zur Gewalt gegen sie aufrief. Nach der Tat floh er in das Haus seiner Eltern, wo er die Waffe wechselte, sich mit ihnen stritt und einen Abschiedsbrief hinterließ. Warum die Eltern nicht die Polizei verständigten, wird noch untersucht. Die Tatwaffe gehörte dem Vater, einem ehemaligen Politiker der mittlerweile aufgelösten neofaschistischen Kleinpartei Vlast‘ (Heimat). Deren Gründer, der Richter Štefan Harabin, ver­breitete offen Hetze gegen Homosexuelle.

In seinem 65seitigen Manifest stellt Krajčík die rechtsextremen Attentäter von Norwegen, Anders Breivik, und Neuseeland, Brenton Tarrant, als Vorbilder dar – beide hatten ebenfalls ähnliche Manifeste verfasst – und droht weitere Morde an. Er schrieb zudem, dass er Anhänger des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump geworden und zur Alt-Right gestoßen sei. Er verbrachte viel Zeit auf Imageboards wie 4chan oder 8chan und auf einschlägigen Kanälen des Instant-Messaging-Diensts Telegram. Krajčík soll vom Akzelerationismus überzeugt gewesen sein, der in seiner rechten Variante ein Konzept der weißen Vorherrschaft darstellt, dem zufolge aggressive Maßnahmen erforderlich sind, um den Zusammenbruch der modernen Gesellschaft zu beschleunigen und einen weißen Ethnostaat zu schaffen.

Krajčíks Manifest ist geprägt von Memes der Alt-Right und der misogynen »red pillers«, die von sich denken, Zugang zu verborgenem Wissen zu haben. Auf der ersten Seite prangt eine SS-Rune. In weiten Teilen stimmt das Manifest mit dem Verschwörungsmythos des Great Replacement überein, der rechtsextremen Idee, dass Eliten einen »Bevölkerungsaustausch« mit dem Ziel betrieben, die weiße Mehrheitsbevölkerung zu ersetzen. Der Attentäter bekannte sich zu einem »racial nationalism«, der darauf abzielt, die »Rassenreinheit« einer Nation durch politische Maßnahmen wie Einwanderungsverbote zu erhalten. Er sah sich einer »jüdischen Weltverschwörung« gegenüber, die nur den Austausch der »weißen Rasse« mittels Zuwanderung vorantriebe, sondern diese Rasse »zum Gehorsam« erziehe, wobei man sich der Covid-19-Pandemie und der Impfprogramme bediene.

Der Holocaust wird in dem Manifest geleugnet, zugleich wird die endgültige Vernichtung der Juden gefordert. Trans- und Homosexuelle werden als »Degenerierte« bezeichnet. Es gelte, Juden, Politiker und Institutionen anzugreifen, die diese »Degeneration« förderten. So schrieb Krajčík, man könne denken, dass es in der Slowakei »noch nicht so schlimm sei« wie in anderen Ländern. Doch auch hier habe sich die »Besatzung durch die jüdische Weltverschwörung ausgebreitet«. Er habe einmal eine Regenbogenfahne in einem Fenster gesehen – für den rechtsextremen Terroristen der Beweis dieser »Besatzung«.

Der Täter soll sich des Öfteren beim Haus des Ministerpräsidenten Eduard Heger von der konservativen Partei OĽaNO (Obyčajní ľudia a nezávislé osobnosti, Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten) aufgehalten haben. Von dort und dem Tepláreň in der Zámocká-Straße habe Krajčík Fotos gemacht. Seine Absicht sei es gewesen, Angst zu verbreiten, heißt es in seinem Manifest. Wie die Polizei bekanntgab, soll sich Krajčík am Abend des Attentats zunächst bewaffnet zum Haus Hegers begeben haben, dann aber zum Tepláreň gegangen sein, der einzigen Bar in der Stadt, die sich offen als »gay bar« bezeichnet. Sie war bis zu diesem Attentat für viele Nichtheterosexuelle einer der wenigen sicheren Orte in der Slowakei. Auch die beiden Todesopfer, der 27jährige Philosophiestudent Juraj Vankulič und der 23jährige Matúš Horváth, haben viel Zeit hier verbracht. Horváth stammte aus armen Verhältnissen und finanzierte sich mit der Arbeit in der Bar ein Chinesisch-Studium.

Die queere Community Bratislavas organisierte am Freitag nach dem Attentat eine Kundgebung und Trauerfeier auf der Zámocká. Mehr als 15 000 Menschen beteiligten sich daran, unter ihnen die slowakische sozialliberale Präsidentin Zuzana Čaputová (ruhende Mitgliedschaft bei Progresívne Slovensko, Fortschrittliche Slowakei, PL). »Seit drei Jahren sage ich, dass auch Worte eine Waffe sind. Dass wir Politiker für jedes einzelne Wort, das wir sagen, verantwortlich sind. Und doch füllen viele den öffentlichen Raum rücksichtslos mit Hass«, schrieb Čaputová auf Facebook. Am Präsidentenpalais Grassalkovich ließ sie in Solidarität mit der LGBT-Gemeinschaft die Regenbogenflagge hissen.

Ministerpräsident Heger wies darauf hin, dass die Grundrechte unteilbar sind. Bei einer antifaschistischen Kundgebung kamen auch die Angehörigen der Opfer zu Wort. Für sie »klebe das Blut der Opfer auch an den Händen der Politiker«. Sie kritisierten die queerfeindliche Stimmung im Land und forderten mehr öffentliche Sensibilität dafür, zudem solle auch das slowakische Parlament die volle Gleichberechtigung nichtheterosexueller Menschen gesetzlich festschreiben. Die katholisch-konservativ geprägte Slowakei erkennt gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht an. Ein Gesetzentwurf für eine eingetragene Partnerschaft wurde jüngst im Parlament behandelt, aber mit großer Mehrheit in erster Lesung zurückgewiesen.