Homestory

Homestory #49

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Gefühlt ist derzeit fast jeder krank. Gut, das mag etwas übertrieben sein, doch ein wenig Wehleidigkeit ist Anfang Dezember kurz vorm dunkelsten Tiefpunkt des Jahres vielleicht erlaubt. Und die tatsächliche Statistik ist hart genug: Jeder Zehnte in Deutschland leidet derzeit an einer Atemwegserkrankung, heißt es vom Robert Koch-Institut (RKI). In der Redaktion der Jungle World dürfte die Quote noch ein klein wenig höher liegen.

Bei uns sind es zum Glück vor allem Erkältungen, die Grippewelle ist bisher noch an uns vorbeigegangen. In den vergangenen zwei Jahren war die Grippesaison wegen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung deutlich milder ausgefallen, diesen ­Winter sind die Grippeviren wieder in voller Stärke unterwegs. Dem RKI zufolge ist »das Niveau erreicht, das zum Höhepunkt der schweren Grippewelle in der Saison 2017/18 beobachtet wurde«. Und so gibt es derzeit wieder viele Anlässe fürs Nachdenken über die richtige Viren-Etikette, beispielsweise ob der kleine Schnupfen schon Grund genug ist, besser im Homeoffice zu bleiben.

Die Krankenhäuser und das dort arbeitende Pflegepersonal waren nach zwei Jahren Covid-19-Pandemie schon am Rande der Überlastung. Nun zeigt sich, dass vor allem Kinderintensivstationen nicht auf die gegenwärtige Krankheitswelle vorbereitet sind. Es herrscht wieder Notstand in vielen Kliniken, nur mit Müh und Not können schwerkranke Kinder angemessen versorgt werden. Diese Zustände sollten freilich kaum überraschen, und sie hängen auch nicht nur mit der Covid-19-Pandemie zusammen. Vor 20 Jahren wurde mit der Einführung der sogenannten Fallpauschalen die Ökonomisierung und Privatisierung des Gesundheitssystems ­vorangetrieben – und gerade Kinderkliniken sind nicht besonders gewinnbringend, mit den nun beobachtbaren Folgen.

Unter dem Druck der Krise hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diese Woche eine Reform des Gesundheitssystems angekündigt: die »größte Reform seit 20 Jahren«, die »Überwindung des Fallpauschalensystems« und das »Ende der Ökonomisierung in den Kliniken«. Ob an der Reform wirklich so viel dran ist, darf bezweifelt werden, aber auskennen müsste sich Lauterbach mit der Problematik zumindest – war er doch vor 20 Jahren als Berater maßgeblich an der Einführung des Systems der Fallpauschalen beteiligt.