Jan Künemund, Schwules Museum, über die jüngsten Angriffe auf die Einrichtung

»Drohungen und Anschläge sind eine Konstante«

Das Schwule Museum in Berlin wurde erneut Ziel ­eines Angriffs. Am Morgen des 24. Februar hatten Mitarbeiter aus der Verwaltung sechs Einschusslöcher an der Hausfront festgestellt. Wann genau die Attacke stattgefunden hatte, ist nicht bekannt. Es wurden zwei Fensterscheiben, der Leuchtschriftzug des Museums und ein darunter angebrachtes Kunstwerk beschädigt. Das war nicht der erste Angriff auf das Museum. 2016 wurde das Schwule Museum bereits mit Metallkugeln beschossen und im April 2020 wurden Steine auf die Glasscheiben geworfen. Die Jungle World sprach mit Jan Künemund vom Schwulen Museum über den Angriff.
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Gibt es Neuigkeiten zum Stand der Ermittlungen?

Die Beschädigungen kommen vermutlich von einem Luftgewehr. Ansonsten gibt es keine neuen Hinweise. Die Ermittlungen sind erschwert dadurch, dass die Projektile nicht gefunden wurden. Man kann davon ausgehen, dass sie aufgesammelt ­wurden.

Hat der Angriff die Stimmung im Haus beeinflusst?

Das ist sehr unterschiedlich bei den Mitarbeitenden. Für manche ist das Normalität, ich jedoch habe erst am 1. März angefangen, hier zu arbeiten. Das ist schon ein relativ krasser Einstieg. Es ist klar, dass man sich nicht total sicher fühlt. Wir haben einen Leuchtschriftzug »Schwules Museum« an der Fassade. Davon wurde bei dem Angriff das »H« kaputt geschossen. Das wird natürlich als Botschaft aufgefasst. Allerdings wissen wir nach wie vor nicht, was die Motive und wer die Täter sind.

Kann man von einer Eskalation sprechen?

Nein, das kann man, glaube ich, so nicht sagen. Der Fall ist jetzt nicht krasser oder dramatischer als die Fälle vorher. Auch quantitativ können wir nicht sagen, dass die Gewaltaktionen, Anschläge oder die Anrufe zugenommen haben. Das Haus war schon 2016 und 2020 Ziel eines vergleichbaren Anschlags.

In der Stellungnahme schreibt das Schwule Museum von Drohungen. Wie regelmäßig passiert das?

Das passiert schon mehrfach im Monat. Wir haben jetzt angefangen, die Drohungen nach diesem erneuten Anschlag intern zu dokumentieren, damit es einfach versachlicht wird, um nicht nur zu mutmaßen. Die Mitarbeitenden sind da relativ abgebrüht und haben das bisher nicht als dramatisch oder tatsächlich ernsthaft gefährlich eingeschätzt. Aber die Drohungen und Anschläge sind einfach eine Kon­stante. Was ja leider die Kehrseite davon ist, dass wir als Schwules Museum eine Institution mit einer entsprechend selbstbewussten Sichtbarkeit sind.

Hat das Schwule Museum nach dem Angriff Unterstützung bekommen?

Es gab eine Welle von Solidaritätsbekundungen von anderen Institutionen und aus der Politik. Das hat uns gutgetan. Das war bei den vergangenen Anschlägen nicht in solch großem Ausmaß der Fall. Wir wurden bereits von Politiker:innen besucht und weitere Besuche wurden angekündigt. Durch den Anschlag wurden sie auf uns aufmerksam und sind jetzt interessiert, was da auf dem Spiel steht. Darüber freuen wir uns.