Die Firma Hentschke Bau verklagt die Universität Leipzig

Der Mäzen aus Bautzen klagt

Eine Veröffentlichung der Universität Leipzig beschäftigt sich mit rechten Unternehmern und deren Einfluss auf die Etablierung antidemokratischer Positionen im öffentlichen Leben. Die Bautzener Firma Hentschke Bau klagt nun dagegen.

Die Firma Hentschke Bau GmbH in Bautzen verklagt die Universität Leipzig. Grund ist die Publikation »Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen«, die Wissenschaftler des dort beheimateten Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) im März veröffentlicht haben. In dem Strategiepapier ging es darum, wie extrem rechtes politisches und soziales Engagement von Unternehmen dazu beiträgt, antidemokratische Positionen im öffent­lichen Leben zu etablieren und die ex­treme Rechte zu vernetzen. Die Firma und deren Geschäftsführer Jörg Drews klagen nun auf Unterlassung beziehungsweise Richtigstellung.

»Die sogenannte Studie enthält zahlreiche unwahre Tatsachenbehauptungen und rechtswidrige Äußerungen«, sagte der Unternehmenssprecher Falk al-Omary dem MDR anlässlich der Klageeinreichung. Außerdem behalte man sich »Schadenersatzforderungen ausdrücklich vor«. Das EFBI hingegen stehe nach wie vor zu den Inhalten der Untersuchung, teilte Carsten Heckmann, Sprecher der Universität Leipzig, demselben Sender mit.

In der Publikation wird unter an­derem das politische Wirken von Jörg Drews, dem Geschäftsführer von Hentschke Bau, thematisiert. Er habe etwa den Sender Ostsachsen TV teil­finanziert, in dessen Programm extrem Rechten wie dem Identitären Maximi­lian Thorn oder dem Reichsbürger Peter Fitzek eine Plattform erhalten hätten, heißt es darin. Außerdem habe Hentschke Bau der AfD für deren Bundestagswahlkampf 19.500 Euro gespendet. Von Verwaltungsjuristen wolle das Unternehmen nun entscheiden lassen, »ob eine Hochschule, die mit öffentlichen Geldern hantiert, überhaupt eine Studie herausgeben darf, die Unternehmer diskreditiert«, so al-Omary.

Darüber hinaus reichte das Unternehmen eine Unterlassungsaufforderung gegen die Vereinigung der Ver­folgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Sachsen (VVN-BdA Sachsen) ein, den Trägerverein des antifaschistischen Recherchekollektivs 15 Grad Research aus dem Landkreis Görlitz. Dieses lieferte für die Publikation maßgebliche Hintergrundinformationen.

Wer sich der Macht des Bau­unter­nehmers Jörg Drews widersetze, müsse damit rechnen, »an den Pranger« gestellt zu werden, so die Undogmatische Radikale Antifa.

Für den sächsischen Landesverband der VVN-BdA sei diese Art der juristischen Auseinandersetzung neu, teilte Silvio Lang, der Vorsitzende des Vereins, der Jungle World mit. Man stehe weiterhin hinter den Inhalten des Papiers, befürchte aber ein langwieriges und kostspieliges Verfahren. Ein Verhandlungstermin sei noch nicht bekannt. Der Verein werde von der zen­tralen Anlaufstelle für Informationsfreiheit »Frag den Staat« unterstützt, deren Anliegen es ist, das Recht der ­Öffentlichkeit auf Informationen auch vor Gericht zu verteidigen. Mit der jüngsten Kampagne »Gegenrechtsschutz« unterstützt die Anlaufstelle Betroffene in von Rechten entfachten juristischen Auseinandersetzungen, um die Presse- und Meinungsfreiheit zu schützen. »Wir sind erleichtert, einen solch starken Partner an ­unserer Seite zu haben«, sagte Lang über die Zusammenarbeit. Das Papier ist weiterhin auf der Website des Recherchekollektivs ­zugänglich.

Der Bautzener Unternehmer Drews sehe sich selbst als konservativer Demokrat, zitierte die Sächsische Zeitung einen Sprecher des Unternehmens. Hentschke Bau habe auch an die CDU wiederholt gespendet. Die Überweisung an die AfD sei zu einer Zeit erfolgt, als sich diese vor allem »gegen die gemeinsame Verschuldung der EU-Staaten wandte«. Drews beziehe sich auf vergleichbare Positionen im Parteiprogramm der CDU aus dem Jahr 2002.

Der Bauunternehmer ist einer der größten Arbeitgeber in der Region und entsprechend gut vernetzt. Einer Studie des FAZ-Instituts, eines Unternehmens der Frankfurter Allgemeinen ­Zeitung, zufolge ist Hentschke Bau eine der »stärksten Marken im deutschen Baugewerbe« und eines von nur zehn Bauunternehmen, denen das Institut im April die Auszeichnung »Deutschlands starke Marken« verliehen hat. Dafür entscheidend war die Reputation des Unternehmens, die daran bemessen wurde, wie in sozialen Medien, auf Online-Portalen, in Foren und Blogs ­sowie auf öffentlich zugänglichen Nachrichtenseiten über das Unternehmen berichtet wird.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe solidarisierte sich die erste Männermannschaft des örtlichen Fußballvereins, Budissa Bautzen, die in der fünftklassigen Oberliga spielt, mit ihrem Hauptsponsor Hentschke Bau. In einem Brief an Drews zeigen sich die Fußballer dankbar für dessen Leistungen für die Region und den Verein, vor allem in einer Zeit, die geprägt sei von »einseitiger medialer Berichterstattung« sowie »Cancel Culture und Vorverurteilungen«. Trotz der »diffamierenden Berichterstattungen« stehe man »hinter der Hentschke Bau GmbH und ­Ihnen – zu 120 Prozent«. Die finanzielle Lage des Vereins ist desolat und die ­Abhängigkeit von seinen wenigen Sponsoren entsprechend groß. Erst Mitte Mai wurde auf der Mitgliederversammlung darüber debattiert, den höherklassigen Spielbetrieb zu zu beenden.

Ein Sprecher der Undogmatischen Radikalen Antifa (URA) aus der Landeshauptstadt Dresden teilte der Jungle World mit, dass sich in Bautzen nur wenige an dem Unternehmen störten, weil »Drews als Gönner und Mäzen« auftrete und »die Firma den Wirtschaftsstandort« stärke. Wer sich hier der Macht des Bauunternehmers ­widersetze, müsse damit rechnen, »an den Pranger« gestellt zu werden. Während die Firma mittlerweile bundesweit tätig sei, sehe sich »die kritische Zivil­gesellschaft hier ständigen Angriffen ausgesetzt«.

Bereits in der Vergangenheit ging Hentschke Bau wegen »gezielter Diskreditierung und Geschäftsschädigung« gegen einen Journalisten vor. Einem Mitarbeiter des Berliner Tagesspiegels warf die Firma vor, mit »falschen und irreführenden vermeintlichen Sachzusammenhängen« das Unternehmen sowie »einzelne Repräsentanten zu diskreditieren«. In einer Reportage von Anfang Juli 2020 über rechtsextreme Proteste an der B 96 in Sachsen hatte der Journalist die Verhältnisse in Bautzen erwähnt. Er schrieb zudem, der Geschäftsführer des Unternehmens habe großen Einfluss in der Stadt und sponsere Plattformen, die im Internet Verschwörungsmythen verbreiteten. In einer Stellungnahme berichtete Hentschke Bau von Brandanschlägen auf Firmenanlagen, die »auch das Ergebnis einer fortgesetzten ne­gativen Berichterstattung mehrerer Medien« sei.

Ende April brannte in Berlin-­Adlershof ein Bagger des Unternehmens; es war bereits der achte Brand­anschlag gegen dieses seit November 2019. In Bekennerschreiben zu frühe­ren Anschlägen wurden die Angriffe unter anderen mit den Spenden an die AfD begründet.