Gefahr im Gartenhaus

Homestory #31/23

Wenn der Boomer-Redakteur dem Zoomer-Praktikanten den Witz alter »Jungle World«-Titel erklärt, bleibt kein Auge trocken.
Homestory Von

»Pass auf!« Erschrockene Gesichter schauen den Praktikanten an. Kurz darauf ertönt ein lautes Knirschen. Seine waghalsige Akrobatik entlang der Wandregale hat schon ihr erstes Opfer gefordert: unter ihm liegt ein in Glas eingerahmtes Plakat aus den nuller Jahren in Scherben, beinahe historisch also. »Scheiße«, murmelt er. »Aaach, das hatte vorher schon einen Knacks«, flunkert der Redaktionskollege.

»Hah! Damals, da waren wir noch wild!« sagt der Kollege.

Seit dem frühen Morgen hilft er dem Praktikanten, fünf- bis zehnfach vorhandene Ausgaben der Jungle World zwischen 1997 und 2014 auszusortieren, um einen Teil dem Archiv der Sozialen Bewegungen in Hamburg zukommen zu lassen. Die Spende könnte daher für etwas Platz in den neuen Redaktionsräumen sorgen, denn das Gartenhaus ist schon deutlich kleiner, als es die Fabriketage war. So hangelt sich der Praktikant nun auf einem Tisch zu einem hochgelegenen Regal hinauf, in der Hoffnung, die vergilbten Ausgaben in die Finger zu bekommen.

»Jungle World«-Ausgabe zum Irak-Krieg von 2003, auf der golfende US-Soldaten abgebildet sind. Der Titel: »Amerika spielt Golf«

Bild:
Archiv 2. Juni

Die über 800 Ausgaben zusammenzusammeln, ist Knochenarbeit. Der knappe Platz im Büro reicht kaum aus, um die schweren Kartons abzustellen; auf den Händen sind immer mehr Schnittwunden zu beklagen.

Die Augen des Kollegen blitzen gelegentlich auf, wenn er eine Ausgabe entdeckt, zu der er eine Geschichte kennt. Er war schon bei der Besetzung der Jungen Welt im Jahr 1997 dabei gewesen, die zur Gründung der Jungle World führte. »Hah! Damals, da waren wir noch wild!« sagt der Kollege. Er präsentiert strahlend eine Ausgabe zum Irak-Krieg von 2003, auf der golfende US-Soldaten abgebildet sind. Der Titel: »Amerika spielt Golf«.
 

Jungle-Cover


Das Zeitungsstapeln geht weiter. »Oder das hier, schau mal!« Unter dem Titel »Bist du Homo, oder was?« küsst ein Mann einen Menschen im Affenkostüm. Die Ausgabe ist von 2010. Der Praktikant schaut entsetzt. »Neein«, sagt der Kollege. »›Homo‹ wegen »Homo sapiens«. Hehe. Verstehst du?« Die Ausgabe behandele die These, Menschenaffen seien als Urmenschen zu verstehen, erklärt er.

Im Endspurt werden die Ausgaben in Kartons verfrachtet, die allesamt schon während des Umzugs gerissen waren. Macht nichts – wozu gibt es schließlich Klebeband. Bis Hamburg wird es hoffentlich halten.