Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke
Wenn man auf den Straßen Berlins eine Umfrage veranstalten und die Frage an die Passanten lauten würde, welchen Geruch sie am meisten mit der Hauptstadt verbinden, fiele die Antwort sicher klar aus: Pisse.
Diese sich in die Nase einbrennende Duftnote beim Hinabsteigen in eine U-Bahnstation kennt jeder, der sich schon einmal im Untergrund Berlins fortbewegen musste. Der einem entgegenströmende Fahrtwind katapultiert die beißenden Aromastoffe körperlicher Ausscheidungen (manchmal sind es noch andere, von denen hier aber geschwiegen werden soll) direkt in das für den Würgereflex zuständige Hirnareal. Wahrlich besser kann man die Großstadt nicht fühlen und in sich aufnehmen. That’s the real Berlin experience!
Die Bandbreite an aufdringlichen Gerüchen, mit denen sich Leute freiwillig die Poren verstopfen, die Lungen verpesten und die Gehirne vernebeln, ist sehr groß.
Ob sich manche gegen natürliche Ausscheidungsgerüche zur Wehr setzen wollen und diese damit zu übertünchen versuchen, indem sie sich in die Nase reizende Parfümwolken hüllen, oder ob es sich bei manchen auch nur um bloße Geschmacksverirrung handelt, lässt sich wohl auch nur durch eine erneute Umfrage klären.
Die Bandbreite an aufdringlichen Gerüchen, mit denen sich Leute freiwillig die Poren verstopfen, die Lungen verpesten und die Gehirne vernebeln, ist zumindest sehr groß. Neben den nach synthetischen Kokos und Vanille stinkenden Määädels, die sich in Drogeriemärkten mit den billigen Düften für 99 Cent eindecken, und den Dudes, die sich mit penetrantem Rasierwasser und mit dem Achselspray der für ihre toxisch männlichen Werbespots bekannten Deomarke einsprühen – vermutlich um ihr Objekt der Begierde im wahrsten Sinne des Wortes zu betäuben – gibt es seit kurzem auch noch einen neuen »Duft«, der die ohnehin schon mit Feinstaub belastete Luft der Städte verschlechtert.
Erinnert das Bouquet zwar eher an ein Insektizid und treibt einem Tränen in die Augen, wie man es nur vom den Pfefferspray der Berliner Polizei kennt, umhüllen sich doch tatsächlich freiwillig Leute mit dieser Giftwolke und geben dafür wahrscheinlich auch noch Unmengen an Geld aus. Dönergestank im Bus und aus den Filialen einer bekannten Drogeriekette strömende Duftwolken ist man mittlerweile gewohnt. Diese neue olfaktorische Beleidigung überschreitet jedoch jegliche antrainierte Toleranzgrenze. Haben Sie es auch schon gerochen? Und wissen sie, welchen blumigen Namen sich der Hersteller dafür ausgedacht hat? Wir wissen nämlich nicht, um welches Parfüm es sich hier handelt.
Vielleicht sollten die Ordnungshüter auf den Straßen der Städte die Übelriecher mit Geldstrafen überhäufen. Schließlich gilt Lärm auch als Belästigung. Bei Gerüchen scheinen die Nasen der Gesetzgeber aber noch verstopft.