Auf zur Säuberung
Tunis. Kaïs Saïeds erste öffentliche Aussage nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag muss als Drohung verstanden werden. Man werde nun »das Land von den Korrupten, Verrätern und Verschwörern säubern«, sagte der alte und neue tunesische Präsident noch am Wahlabend im nationalen Fernsehen.
Das offizielle Ergebnis wurde erst am Montag bekanntgegeben. Die Wahlbehörde Isie sprach Saïed 90,7 Prozent der Stimmen zu, die Wahlbeteiligung habe 28,8 Prozent betragen. Überraschend war Saïeds Wiederwahl nicht. Außer dem Präsidenten selbst hatten sich ursprünglich 16 Kandidaten beworben, das höchste Amt im Staat für die kommenden fünf Jahre zu bekleiden. Sie scheiterten entweder an einer angeblich zu niedrigen Unterschriftenzahl für ihre Kandidatur, dem für die Zulassung nötigen Führungszeugnis oder sie wurden verhaftet. Auch Ayachi Zammel, einer der beiden schließlich zugelassenen Konkurrenten Saïeds, sitzt nun unter dem Vorwurf der Unterschriftenfälschung in Haft.
Um seinen Sieg vor juristischen Einwänden zu schützen, drückte Saïed neun Tage vor dem Wahltermin eine Änderung des Wahlgesetzes durch das Parlament, die den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit in Wahlangelegenheiten entzieht. Die Verwaltungsgerichte gelten als letzte Bastionen einer unabhängigen Judikative in Tunesien.
Saïed hat seine autoritäre Herrschaft nun fest etabliert – im einzigen Land, in dem nach den arabischen Revolten 2011 tatsächlich eine Demokratisierung einzutreten schien.
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