Freitag, 13.10.2017 / 13:44 Uhr

Syrien: Fünf Ratschläge an die Bundesregeirung

Kirsten Helberg mit fünf Ratschlägen zur Syrienpolitik der Bundesregierung:

Der Konflikt in Syrien ist deshalb nicht zu Ende, sondern tritt in eine neue Phase. Wer als geflüchteter Syrer an einem sicheren Ort ein erträgliches Dasein fristet, wird vorerst nicht zurückgehen. Sollte die Rückkehr von syrischen Geflüchteten ein erklärtes Interesse Deutschlands sein, müsste sich die neue Bundesregierung für ein anderes Syrien einsetzen. Fünf Dinge wären dabei hilfreich.

Erstens die deutsche Militärintervention beenden. Auch wenn es um den Kampf gegen den Terror des IS geht – deutsche Tornados helfen bei der Bombardierung von Zivilisten und nicht bei deren Schutz. Wer aber seine Flugzeuge nicht in den Dienst der Zivilbevölkerung stellt, hat im Luftraum eines fremden Landes nichts zu suchen. Die halbe Million Euro, die der Tornado-Einsatz täglich kostet, sollte die Bundesrepublik besser zur Versorgung der Syrer in den Nachbarländern einsetzen.

Zweitens keine Normalisierung der Beziehungen zum Assad-Regime, keine Eröffnung von diplomatischen Vertretungen, keine geheimdienstliche Zusammenarbeit. Assads Geheimdienste nutzen dschihadistische Netzwerke seit vielen Jahren zur Festigung der eigenen Macht und sind deshalb nicht vertrauenswürdig.

Zerstörtes Syrien: Für den horrend teuren Wiederaufbau (200-350 Milliarden US-Dollar) braucht Syriens Diktator jeden syrischen Unternehmer. Daneben wollen syrische Geschäftsleute, die dem Regime nahestehen und am Krieg verdient haben, jetzt ihre Dividende kassieren. Sie wollen den Wiederaufbau dominieren und einen Großteil der ausländischen Finanzhilfe einstreichen sobald diese fließt.

Drittens kein Wiederaufbau mit Damaskus. Assads Wiederaufbau dient weder der wirtschaftlichen Wiederherstellung Syriens noch der sozialen Wiedergutmachung, sondern ist für das Regime eine Gelegenheit sich zu bereichern, Anhänger zu belohnen, Gegner zu bestrafen und demographische Veränderungen zu festigen. Mit Hilfe eines neuen Dekrets (Nr. 66) werden große Wohnbauprojekte beschlossen, frühere Eigentümer faktisch enteignet und ins Ausland geflohene Syrer übergangen, so dass Regimeanhänger gezielt angesiedelt werden können.

Assad freut sich deshalb öffentlich über eine "gesündere und homogenere Gesellschaft". Ohne Aussicht auf einen politischen Übergang sollten nur kleine, lokale und direkte Wiederaufbaumaßnahmen in Zusammenarbeit mit den zivilen Strukturen in geeigneten Oppositionsgebieten gefördert werden.

Viertens sollte Berlin eine Führungsrolle bei der juristischen Verfolgung von Verbrechen des Assad-Regimes übernehmen und die Bundesanwaltschaft dafür mit mehr Personal im Völkerstrafrechtsreferat ausstatten. Deutschland hat dank des Weltrechtsprinzips die Möglichkeit, in Syrien begangene Kriegsverbrechen vor deutschen Gerichten zu verhandeln. Die Beweise sind erdrückend. Erste Strafanzeigen, Ermittlungen und Zeugenbefragungen sollten möglichst schnell zu internationalen Haftbefehlen gegen hochrangige Vertreter des Regimes führen. Denn ohne Gerechtigkeit kein Frieden. Und ohne Frieden keine Rückkehr der Geflüchteten.

Fünftens mehr Förderung für die syrische Zivilgesellschaft, auch wenn diese im Land kaum noch Handlungsspielraum hat. Viele Aktivisten sind ins Ausland geflohen, wo man sie unterstützen, ausbilden und auf eine zukünftige Rolle in einem demokratischen Syrien vorbereiten kann.

Was Syrien jetzt braucht, ist eine klare Haltung. Da das Land mit diesem Regime keinen Frieden finden wird, sollten wir es mindestens ächten. Dabei geht es nicht um die Person Assads, sondern um das System dahinter.

Erst wenn der Sicherheitsapparat entmachtet und die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen angeklagt sind, werden Syrer Hoffnung schöpfen und zurückkehren. Bis dahin sollten wir ihre Integration in Deutschland vorantreiben, auch indem wir ihnen ermöglichen, ihre Familien zu sich zu holen. Denn vieles, was sie hier lernen, könnte in einem Post-Assad-Syrien von Nutzen sein.