Donnerstag, 28.12.2017 / 15:27 Uhr

Kaffeetrinken bei der Bundespolizei

Von
Amed Sherwan

Das Kaffeetrinken bei der Bundespolizei war wie ein Nachhausekommen. Ich hatte ohne Scheiß Lust den Boden zu küssen, so dankbar war ich im Januar 2016, als die dänische Polizei mich den deutschen Behörden überstellt haben, nachdem ich sehr unangenehme Erlebnisse mit der dänischen Polizei gehabt hatte.

Erstens sind nicht alle Geflüchtete Muslime, zweitens sind nicht alle Muslime Strenggläubige und drittens sind nicht alle Strenggläubigen Islamisten.

Dabei hatte ich kein Verbrechen begangen. Ich war damals als Dolmetscher am Bahnhof Flensburg aktiv und hatte in dem Zusammenhang ein syrisches Ehepaar aus Schweden kennengelernt, die mich nach der Situation am Bahnhof in Pattburg fragten. Verwandte von ihnen waren gerade auf dem Weg durch Deutschland und da sie wussten, dass es verboten sei, Flüchtende mit Privatautos über die Grenze zu transportieren, wollten sie sich für ihre Verwandten persönlich über die Situation an den Bahnhöfen informieren.

Sie wohnten schon lange in Schweden und hatten reguläre Reisepapiere, also willigte ich ein mit ihnen hinzufahren. Dass ich selber mit meiner deutschen Gestattung eigentlich keine europäischen Grenzen queren darf, habe ich dabei bescheuerterweise nicht wirklich auf dem Zettel gehabt. Zu dem Zeitpunkt gab es keine Grenzkontrollen und ich war schon ein paar Mal zum Spaß in Dänemark gewesen – schließlich kann man da ganz einfach zu Fuß hinspazieren.

Kaum in Pattburg am Bahnhof angekommen, wurden wir von der Polizei gestellt, die den armen Schweden unterstellten, sie hätten mich schleusen wollen. Ich versicherte den Beamten, dass das völliger Unsinn sei, weil ich in Flensburg wohne, zur Schule ginge, viele Freunde habe – sie könnten das ganz schnell untersuchen. Das war den Polizisten aber völlig egal. Ich wurde zusammen mit einigen anderen Jugendlichen, Männern, Frauen und Kinder zur Wache gebracht.

Im Untersuchungsgefängnis wurden die Familien nach Geschlechtern getrennt, die Menschen weinten. Der Umgang mit uns war extrem grob und rücksichtslos. Ich wurde zunächst in einer völlig leeren Isolationszelle untergebracht und danach einige Tage zu verschiedenen Verhören quer durch Dänemark hin- und hergefahren. Man drohte mir immer wieder, dass man mich länger festhalten wolle, wenn ich nicht endlich die Wahrheit sagen wolle. Dabei hatte ich nichts zu verschweigen. Ich hatte nichts Anderes verbrochen als blöd zu sein.

Mal abgesehen von der unglaublichen Verschwendung von Geld für Beamten, die mich tagelang rumgefahren und bewacht haben, hat mich vor allen Dingen der Umgangston mit mir und den anderen Geflüchteten schockiert.

Schließlich wurde ein 2-jähriges Einreiseverbot verhängt und ich wurden den deutschen Beamten an der Grenze übergeben. Sie erschienen mir wie Engel, haben mich wie der minderjährige Junge behandelt, der ich war, mir einen Kaffee angeboten und mich zurück in meine Jugendeinrichtung geschickt.

Ein halbes Jahr später musste ich noch mal als Zeuge in Dänemark aussagen und bin ernsthaft nach der Zeugenaussage von einem Polizeibeamten nach Hause eskortiert worden, obwohl ich wochenlang alle erforderlichen Ein- und Ausreisepapiere bei den zuständigen Ministerien in Dänemark und Deutschland besorgt hatte.

Mal abgesehen von der unglaublichen Verschwendung von Geld für Beamten, die mich tagelang rumgefahren und bewacht haben, hat mich vor allen Dingen der Umgangston mit mir und den anderen Geflüchteten schockiert. Es war komplett anders als in Deutschland, obwohl ich hier ja auch schon auf der Flucht aufgegriffen worden bin.

Dabei sind Dänen nicht unfreundliche Menschen, im Gegenteil. Ich kenne viele Dänen und der Ton ist meistens eher herzlicher und offener als in Norddeutschland. Deswegen kann ich meine Erlebnisse nur auf die politische Stimmung in Dänemark zurückführen. Die dänische Volkspartei ist die zweitstärkste Partei. Angst vor Geflüchteten und Muslimen prägt die Stimmung noch viel mehr als hier. Abgelehnte Asylbewerber leben da unter ec hat krassen Bedingungen. Ich bin immer wieder erschüttert, was mir geflüchtete Freunde aus Dänemark erzählen.

Ich kenne viele Geflüchtete, von denen ist wirklich kaum jemand zum Spaß geflohen. Wer gibt schon seinen Status, sein Zuhause, sein komplettes bisheriges Leben auf, wenn er keinen Grund dazu hat. Aber die Menschen werden nicht wie notleidende Menschen behandelt, die seit Wochen unterwegs gewesen waren, sondern wie Schwerverbrecher.

Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass man die weltweiten Probleme mit dem politischen Islam mit Kaffeetrinken lösen kann.

Ich sehe nicht viel Gutes im Islam, denn ich habe mit dieser Religion nicht viel Gutes erlebt. Und ich denke, man darf da nicht naiv sein. Der Islam hat ein gefährliches und unsympathisches Potenzial. Das haben alle Religionen vielleicht – aber beim Islam ist es aus verschiedenen Gründen gerade ganz akut. Das begründet aber nicht, Geflüchtete nicht wie individuelle Menschen zu betrachten.

Erstens sind nicht alle Geflüchtete Muslime, zweitens sind nicht alle Muslime Strenggläubige und drittens sind nicht alle Strenggläubigen Islamisten. Wenn man aus – zwar berechtigter – Angst vor dem Islamismus den Fehler macht, alle Menschen aus muslimischen Ländern unter Terrorverdacht zu stellen und als Verbrecher zu behandeln, geht genau das verloren, weshalb ich nach Europa geflüchtet bin: Gerechtigkeit und Freiheit.

Und genau deshalb finde ich die AfD nicht harmlos. Denn in Dänemark haben die Rechtspopulisten geschafft, die gesamte Politik so weit zu verändern, dass sie eigentlich selbst überflüssig geworden sind.

Alle, die nicht direkt abgeschoben werden können, sollen genauso beschissene Bedingungen behandelt werden wie im Mittleren Osten. Im Ergebnis führt es zu Hass auf allen Seiten. Und darüber freuen sich die Islamisten vermutlich am allermeisten.

Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass man die weltweiten Probleme mit dem politischen Islam mit Kaffeetrinken lösen kann. Aber für einen einzelnen Geflüchteten wie mich kann diese Tasse Kaffee bedeuten, dass man sich ein bisschen in das Land verliebt, in dem man gerade wohnt. Und für ein friedliches Zusammenleben ist es nicht die schlechteste Voraussetzung. Doch Deutschland verändert sich gerade – ich weiß nicht, ob ich noch immer einen Kaffee an der deutschen Grenze kriegen würde.