Freitag, 12.10.2018 / 13:57 Uhr

Irans ganz besonderer Kampf gegen den Terror

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Gastbeitrag von Wahied Wahdat-Hagh

Die Financial Action Task Force (FATF) wurde im Jahr 1989 gegründet und ist das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferationsfinanzierung. Dieses Gremium ist der OECD in Paris angegliedert. Der Iran gehört zwar nicht zu den 35 Mitgliedstaaten, das iranische Pseudo-Parlament Majless hat jedoch am 07. Oktober 2018 ein Gesetz zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verabschiedet.[1] Darin hat es hat dem internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zugestimmt. Es ist fragwürdig, ob der Wächterrat den 143 Befürwortern im Majless zustimmt; 122 Majless-Mitglieder hatten gegen das Gesetz gestimmt.

Der Revolutionsführer Ali Khamenei hat sich gegen eine Zusammenarbeit mit der FATF ausgesprochen. Offen ist wie der Wächterrat über die weiteren im Gesetz behandelten Belange, wie das UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität oder über die internationalen Anti-Geldwäsche-Regelungen entscheidet. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass der Wächterrat und Ali Khamenei einer konsequenten Zusammenarbeit mit der FATF zustimmen – und falls sie dies tun, dann nur gemäß ihrer eigennr Definition des Terrorismus.

Die schwarze Liste

Der Iran war 2008 auf die schwarze Liste der FATF gesetzt worden. Um dem entgegen zu steuern, war das iranische Majless im Jahr 2015 bemüht, ein Gesetz zur Bekämpfung von Terrorfinanzierung zu verabschieden. In diesem Gesetz heißt es: „Handlungen, die von Personen, Völkern, Gruppen oder von Befreiungsorganisationen zur Bekämpfung von politischer Fremdherrschaft, ausländischer Besatzung, Kolonialismus und Rassismus getätigt werden, werden nicht als terroristische Aktivität gezählt und fallen nicht unter dieses Gesetz. Der Oberste Rat der Nationalen Sicherheit bestimmt, wer als terroristische Gruppe und Organisation zu gelten hat.“[2]

Der Iran erkannte an, dass Flugzeugentführungen, Piraterie, Bombenanschläge auf öffentlichen Plätzen als Terrorismus gelten – was ungewollte Folgen für die eigenen Politik haben könnten: Dem in Deutschland gefassten iranischen Diplomaten, Assadollah Assadi, der inzwischen an Belgien überstellt worden ist, wird vorgeworfen einen Bombenanschlag gegen eine öffentliche Veranstaltung organisiert zu haben. Dies würde dann also sogar nach der iranischen Definition als Terroranschlag gelten. Falls sich der Vorwurf der Spionage und Verabredung zum Mord gegen den iranischen Diplomaten bestätigen sollte, wäre der Vorfall ebenso als eine Form von Staatsterrorismus einzustufen wie schon das Mykonosattentat, das von einem deutschen Gericht als ein staatsterroristischer Akt verurteilt wurde.

Im Juni 2016 wurde der Iran schließlich von der FATF-Liste gestrichen. Ab Juni 2017 setzte die FATF dann ihre Maßnahmen gegen den Iran aus und gab ihm bis Oktober 2018 Zeit, die Unterstützung des Terrorismus zu beenden, um nicht erneut auf der schwarzen Liste zu landen.

Der Iran will Zeit gewinnen

Im September 2016 haben zwei iranisch Banken – die Mellat-Bank[3] und die Sepah-Bank – sich geweigertn einen Finanztransfer für zwei Organisationen der Revolutionsgarden namens Khatam-ul-Anbia, einen Finanztransfer zu gewährleisten –  aus Angst von der FATF identifiziert zu werden.[4] Immerhin waren im Jahr 2016 Iran und Nordkorea verpflichtet worden aktive Schritte gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung zu unternehmen. Doch auch wenn diese zwei Banken aus Angst vor den Folgen der FATF-Politk demonstrativ angekündigt hatten, keine Geschäftsbeziehungen mit bestimmten Organisationen der Revolutionsgarden eingehen zu wollen, gibt es übergeordnete Entscheidungsträger wie den Wächterrat und die iranische Zentralbank, die eine solche Praxis der Verweigerung nicht zulassen.

Die iranische Zentralbank schrieb anlässlich der Ankündigung der beiden Banken in einer Erklärung, dass „alle inländischen Banken und Finanzinstitute mit allen natürlichen und juristischen Personen, die Iraner sind Finanz- und Geschäftsbeziehungen haben dürfen, ganz gleich, ob deren Namen auf den Sanktionslisten geführt werden oder nicht. Die Sanktionen dürfen keine Einschränkungen im Inland zur Folge haben und werden von der Islamischen Republik Iran nicht akzeptiert werden.“[5] Die Sepah-Bank gab dann auch prompt bekannt, dass der Oberbefehlshaber der Khatam-ul-Anbia die weitere Zusammenarbeit mit der Sepah-Bank und der Mellat-Bank gelobt habe: „Wir erwarten, dass diese Zusammenarbeit ausgeweitet wird und diese in Zukunft den Zielen der Wirtschaft des Widerstandes dienen wird.“[6]

Ahmad Janati, Mitglied des Wächterrates, kritisierte schon im Jahr 2016 die Entscheidung, sich überhaupt den FATF-Regeln unterwerfen zu wollen, ohne dass zu dem Zeitpunkt ein Gesetz beschlossen worden war: „Sie haben dieses Dokument unterzeichnet und wollen unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Geldwäsche unsere Finanzinformationen und Bankgeheimnisse an den Feind liefern, damit wir Sanktionen gegen uns selbst durchführen. Falls der FATF-Plan tatsächlich Realität wird, können wir unseren Todesgesang anstimmen und Amerika wird diesen Akt loben. Sie werden 87 Personen und Institutionen mit Sanktionen versehen. Hoffentlich wird dies verhindert,“ so Ayatollah Janati.[7]

Seit 2008 im Visier der FATF

Spätestens seit 2008 stand der Iran unter dem konkreten Verdacht einer FATF-Sonderabteilung, Geldwäsche zu betreiben und Terrorbewegungen zu finanzieren und hat infolge akzeptiert adäquate Schritte zu unternehmen, ohne wirkliche Eingeständnisse zu machen. Er lenkte zunächst formal ein und versprach, den Regeln der Geldwäsche und der Terrorbekämpfung zu folgen. Gleichzeitig kündigte jedoch Valliullah Seif, der Direktor der iranischen Zentralbank an, der FATF keine Informationen über die iranischen Bankkonten zu übergeben. Eine nicht unwichtige Einschränkung.

Auch für den früheren Sekretär der iranischen Zentralbank schien es selbstverständlich zu sein, dass der Iran sich den FATF-Regeln unterwerfen müsse: „Wenn wir akzeptiert haben, dass wir Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen haben, müssen wir die dazugehörigen Verpflichtungen akzeptieren. Eine Verpflichtung, die wir akzeptiert haben, ist, dass wir garantieren den Kampf gegen Geldwäsche und die Terrorfinanzierung aufzunehmen.“ so Heydar Mostakhdemin Hosseini.[8] Ob er damit auch die schiitischen Terrorbewegungen meinte und nicht nur den IS, sagte er nicht explizit.

Doch offensichtlich ging er davon aus, dass Hisbollah und Hamas keine Terrororganisationen seien, sondern, wie die iranische Staatsdoktrin propagiert, zur „Achse des Widerstandes“ gehören. Darüber hinaus meinte Heydar Mostakhdemin Hosseini noch im Juni 2016, dass der Atomvertrag lediglich „eine politische Hülle“ sei. Den FATF-Regeln wiederum müsse man sich unterordnen, um internationale Wirtschaftsbeziehungen aufbauen zu können. Da der Iran, sich schon seit 2004 von den internationalen Standards entfernt habe, würden ausländische Banken würden Bedenken haben, im Iran zu investieren, so Hosseini.

Die Macht der Wächter der Revolution, der Revolutionsgarden

Die Revolutionsgarden sind wirtschaftlich aktiver denn jemals zuvor, denn sie gehören zu den wenigen intakten und mächtigen Wirtschaftsoligarchien des Iran. Sie kontrollieren die Öl- und Energiewirtschaft, die Autoindustrie, die Kommunikationstechnologie und Bank- und Finanzaktivitäten. Es gibt zwar keine eindeutigen Zahlen über das Ausmaß der Wirtschaftstätigkeit der Revolutionsgarden, aber es wird geschätzt, dass es sich um mehrere Milliarden Dollar handelt. Die Quds-Einheiten, die für terroristische Auslandseinsätze der Revolutionsgarden eingesetzt werden, werden von den mächtigen Finanzoligarchien des revolutionären Militärapparates finanziert. Sie sind in verschiedenen Formen im Irak, in Syrien, im Libanon und Jemen aktiv und setzen geostrategisch und geomilitärisch die ideologischen Ziele des Iran um, im Namen des antiimperialistischen und antizionistischen Kampfes und des Revolutionsexports.

Es ist interessant, dass sowohl Ex-Präsident Ahmadinejad, als auch der regierende Präsident Rohani die unkontrollierbare Macht der Revolutionsgarden kritisiert haben. Präsident Rohani fürchtet seine potentiell mögliche Entmachtung durch die Wächter der Islamischen Revolution.

Eine Entscheidung des Majless und eine Warnung Khameneis

Die BBC berichtete indessen,[9] dass das iranische Majless am 7. Oktober 2018 beschlossen habe, unter bestimmten Bedingungen dem „Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus“ beizutreten. Die FATF hatte damit gedroht, den Iran erneut auf ihre schwarze Liste zu setzen. Ergo will der Iran nun auf dem Papier garantieren, keine Terrororganisationen zu unterstützen. Doch nach wie vor hat man sich nicht darüber geeinigt, welche Organisationen überhaupt als Terrororganisationen gelten.

Dabei hatte sich der religionspolitische Führer des Iran Ali Khamenei schon im Juni 2018 gegen ein Abkommen mit der FATF ausgesprochen. Khamenei hatte vorgeschlagen, eigene Gesetze zu beschließen anstatt in einem Beschluss die Vorgaben der FATF umzusetzen, da es überhaupt nicht nötig sei Sachen zu beschließen, deren „Ende nicht absehbar“ sei. Zudem hatte Khamenei gewarnt, dass die Majlessmitglieder nicht Entscheidungen treffen sollten, die sich gegen die Sharia wenden würden, da sie dadurch Probleme bekommen könnten.

Erneuter Terrorismus-Vorwurf

Wie das US-Department of State hervorgehoben hat,[10]  haben die deutschen Behörden iranischen Diplomaten Assadollah Assadi an die belgischen Behörden übergeben. Der Vorwurf: Terrorismus. Der Iran ist aber nicht bereit, sich auf die Definition des Terrorismus der USA und der EU einzulassen. Die Islamische Republik sieht beispielsweise den Islamischen Staat (IS) als eine Terrorgruppe, nicht aber die Hisbollah, die Hamas, die Jihade Islami oder die proislamistische kommunistische Terrorbewegungen wie PFLP.

Darüber hinaus exportiert der Iran Kurzstreckenraketen an die Terrorgruppe der Hisbollah nach Libanon. Insbesondere die Quds-Einheiten der Revolutionsgarden spielen eine besonders destruktive Rolle bei der Unterstützung von den iranischen Islamisten als solche bezeichneten „Widerstandsgruppen“, die per Gesetz unterstützt werden dürfen. Völlig ungelöst ist also die Frage, unter welchen Bedingungen der Iran seinen Beitritt zum „Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus“ erklären wird, da es kaum vorstellbar ist, dass der Iran auf die Unterstützung seiner terroristischen Organisationen verzichten wird. Letzten Endes geht es den iranischen Machthabern wohl nur darum, Zeit zu gewinnen. Am 4. November 2018 beginnt die neue Phase der US-Sanktionen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

 

Quellen:

[1] https://www.presstv.com/Detail/2018/10/07/576307/Iran-parliament-terror-finance-bill

[2] https://www.chetor.com/128090-fatf

[3] Zur Mellat-Bank siehe auch: https://www.welt.de/debatte/kolumnen/Iran-aktuell/article6061677/Wachsende-Klassenunterschiede-im-iranischen-Gottesstaat.html. Und: https://www.achgut.com/artikel/eine_bank_fuer_alle

[4] https://shabtabnews.com, 03.09.2016

[5] https://cbi.ir/showitem/15157.aspx, 05.09.2016

[6] http://www.banksepah.ir/Page.aspx?mID=1301&Page=News/Shownews&NewsId=1821, 08.09.2016

[7] https://www.fardanews.com/fa/news/566086/, 09.09.2016

[8] Entekhab, 29.06.2016

[9] http://www.bbc.com/persian/iran-45779067, 07.10.2018

[10] https://www.state.gov/secretary/remarks/2018/10/286532.htm