Sonntag, 31.03.2019 / 16:03 Uhr

Wahlen in der Türkei: Ohne Hoffnung

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Aus dem Netz

In der FR wird der türkische Politikwissenschaftler Cengiz Aktar, der selbst inzwischen in Athen lehrt, über die Kommunalwahlen in der Türkei, ihre Bedeutung für Erdogan und die AKP befragt:

Warum klammert sich Erdogan so sehr an die Macht? Sind 17 Jahre nicht genug?
Dieses Regime und besonders Recep Tayyip Erdogan waren in so viele illegale Handlungen verwickelt, dass er schlicht Angst hat. Am Nachmittag des Tages, an dem er die Macht verliert, müsste er zum Obersten Gericht gehen und würde angeklagt.

Erdogan scheint einerseits unbesiegbar, andererseits ist er so schwach wie nie zuvor.
Ich stimme zu, er ist schwach, das Regime ist schwach, das Land ist schwach. Aber: Das ändert sich nicht durch Wahlen. Das wird sich nur durch eine schwere Wirtschaftskrise oder außenpolitische Krise in Syrien mit den USA und/oder Russland ändern. Aber man darf auch davon keine Wunder erwarten. Das Regime könnte das Land vollkommen abriegeln. Die Türkei könnte zu einem Nordkorea in der Region werden, mit geschlossenen Grenzen, einer geschlossenen Wirtschaft, dem Rauswurf der Intellektuellen, alles unter dem Vorwand eines „Angriffs“ aus dem Ausland. Dies ist ein realisierbares Szenario.

Das zum Bürgerkrieg führen könnte.
Natürlich. Aber wir sollten niemals vergessen, dass die Türken gute Untertanen sind. Sie rebellieren nicht. Ziviler Ungehorsam ist in der Türkei nicht oder nur sehr begrenzt bekannt. Die Gezi-Proteste von 2013 sind das einzige große Gegenbeispiel. Aber Dinge wie Steuerboykott oder Boykott von Wasser- oder Stromrechnungen – niemals. Die Menschen betrachten solche Aktionen als eine Revolte gegen den Staat, und der Staat ist heilig.

Haben Sie denn gar keine Hoffnung?
Nein. Die einzige Hoffnung für die Türkei, ein normales Land zu werden, war die Beitrittsperspektive zur EU. Aber die Chance ist verloren. Der EVP-Kandidat für den EU-Kommissionsvorsitz, Manfred Weber, sagte gerade im Interview mit Le Monde auf die Frage nach seiner ersten Amtshandlung, er werde die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden.