Donnerstag, 04.07.2019 / 17:27 Uhr

Die iranische Sackgasse

Von
Gastbeitrag von Wahied Wahdat-Hagh
 

Während die Realisierung der Zahlungsinstrumentarien INSTEX (Instument in Support of Trade Exchange) und STFI (Special Trade Financing Instrument between Iran and Europe) als ein Erfolg der europäischen Diplomatie gefeiert wird, ist das Problem des iranischen Atomprogramms mitnichten gelöst worden. Die Diplomatie ist längst in einer Sackgasse angekommen.

 

 

Es heißt, dass INSTEX die US-Sanktionen umgehen und den Handel zwischen dem Iran und Europa ermöglichen soll, dabei hatte US-Außenminister Mike Pompeo schon Ende Mai bei seinem Besuch in Deutschland in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundesaußenminister Heiko Maas hervorgehoben, dass die US-Regierung nichts gegen INSTEX unternehmen werde, solange dem Iran dadurch keine Möglichkeiten eröffnet würden, mit Waren zu handeln, die auf der Sanktionsliste der USA stehen. Wenn aber mittels INSTEX mit sanktionierten Waren gehandelt werde, würde auch INSTEX auf die Sanktionsliste der USA gesetzt werden. Insofern ist INSTEX durchaus mit der Absegnung der US-Regierung zustande gekommen.

Pompeo hob hervor, dass die US-Regierung nichts dagegen habe, wenn durch INSTEX Medikamente und andere notwendige Waren in den Iran gelangen würden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gab indessen bekannt, dass sich neben dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland sieben weitere europäische Staaten an INSTEX beteiligen und vom Handel mit dem Iran profitieren würden.

Nachdem Ausstieg der USA aus dem Atomprogramm am 8. Mai 2018 zogen sich tatsächlich die meisten europäischen Banken aus dem Iran-Geschäft zurück. Europa stoppte schon im Sommer 2018 die Ölimporte aus dem Iran. Immerhin gehörten Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien, Kroatien, Polen und die Niederlande zu den wichtigen Importeuren von iranischem Öl. Tatsächlich sind im Vergleich mit 2018 die europäischen Exporte in den Iran zum gegenwärtigen Zeitpunkt um 57% gesunken. Dank INSTEX könnten die europäischen Exporte in den kommenden Monaten wahrscheinlich nur leicht steigen.

 

Mit Instex nicht zufrieden

Trotz der europäischen Good-Will-Politik ist die islamistische Diktatur aber mit INSTEX nicht zufrieden und stellt Maximalforderungen und geht auf Konfrontationskurs mit Europa. Abdul-Nasser Hemmati, Direktor der iranischen Zentralbank, forderte zudem eine Erweiterung von INSTEX dahingehend, dass mittels des Hendelsmechnismus‘ „alle Waren“ importiert und exportiert werden sollen. Zugleich ist das Regime jedoch aber nicht bereit, politische Zugeständnisse zu machen. Beispielsweise wird vom Iran gefordert den Terrorismus nicht mehr zu unterstützen, was dem Regime jedoch unmöglich ist, müssten die iranischen Machthaber dazu doch ihre islamistische Staatsdoktrin korrigieren.

 

Tatsächlich fordert die Europäische Union, dass der Iran alle Aspekte des FATF-Aktionsplanes (Financial Action Task Force on Money Laundering) zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung umsetzt. Realistisch betrachtet müsste der Iran um einer solchen Forderung nachzukommen auf seinen islamistischen Revolutionsexport, d.h. auf die Unterstützung von terroristischen Organisationen verzichten. Dies kann das iranische Regime aber nicht ohne weiteres tun, denn die Unterstützung von terroristisch-islamistischen Bewegungen ist in der iranischen Verfassung verankert, die infolge geändert werden müsste. Trotzdem erhielt der Iran am 21. Juni 2019 dennoch noch einaml vier weitere Monate Zeit, um den Aktionsplan zu unterzeichnen. Realistisch betrachtet ist es kaum vorstellbar, dass die Machthaber und vor allem der Revolutionsführer Ali Khamenei dies zulassen werden. Immerhin bezeichnete die FATF den Iran schon im Iran 2007 als Bedrohung des internationalen Finanzsystems.

Ferner hat Europa ernsthafte Probleme mit dem iranischen Raketenprogramm. Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben Anfang des Monats April 2019 von UN-Generalsekretär Antonio Guterres einen Bericht über das umstrittene iranische Raketenprogramm gefordert und haben damit ihre große Besorgnis über die Gefahren dieses Raketenprogramms für Europa zum Ausdruck gebracht.

Der Iran denkt aber nicht daran seine militärische Expansions- und Aufrüstungspolitik einzuschränken. Im Gegenteil sind die iranischen Machthaber zu ihrem alten Erpressungsmodus übergegangen und haben längst mit dem Bruch des Atomprogramms begonnen. Schon am 30. Juni hat der iranische UNO-Vertreter Majid Takhtrawanchi erklärt, dass der Iran in naher Zukunft die Grenze von 300 kg angereichertem Uran überschreiten werde, dies aber nicht als einen Bruch des Atomabkommens betrachte. Bereits zuvor hatte der Iran erklärt, dass die Überschreitung der vorgeschriebenen Grenze am 27. Juni 2019 erfolgen werde. Indessen hat auch der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif den Bruch des Atomabkommens bestätigt. 

Im Rahmen des Atomprogramms sollte es dem Iran lediglich erlaubt sein, 300 kg Uran anzzureichern und dies nur bis zum vereinbarten Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent. Dies ist nun hinfällig. Darüber hinaus hat der Iran erklärt, ab dem 10. Juli 2019 eine weitere Stufe zu überschreiten, falls Europa bis dahin nicht den Kauf von iranischem Öl trotz der US-Sanktionen garantieren würde. Was genau dieser weitere Schritt bedeuten könnte, hat der Iran nicht erklärt. Es ist zu vermuten, dass der Iran sein Atomprogramm gänzlich wieder aufzunehmen gedenkt.

 

Iran missbraucht die Schwäche der transatlantischen Diplomatie

Kein Geringerer als Hassan Rohani, der Präsident des Iran, hatte kürzlich erklärt, dass der Iran notfalls erneut mit der Anreicherung des Schwerwassers in der Atomanlage in Arak beginnen werde.

Schon im August 2018 hatte Ali Akbar Salehi, Direktor der iranischen Atomenergiebehörde, erklärt, dass es eine „Lüge“ gewesen sei, dass der Iran, wie im Zuge des Atomabkommens erklärt, die Zentrifugen des Schwerwasserreaktors in Arak so zementiert habe, dass diese nicht mehr verwertbar seien. Salehi sagte offen, dass die iranischen Politiker die Weltöffentlichkeit belogen hatten, die diese „Lüge“ sogar geglaubt habe, wie er zynisch hinzufügte. Manche hätten infolgedessen behauptet, dass der Iran 5-10 Jahre brauche, um den Schwerwasserreaktor in Arak wieder in Betrieb zu nehmen. Dies treffe alles nicht zu, so Ali Akbar Salehi im August 2018. Der Iran könne sein Atomprogramm viel schneller wieder voll in Betrieb nehmen. Der Direktor der iranischen Atomenergiebehörde gab also offen zu, die Welt belogen zu haben. Salehi erklärte, dass das „Herzstück“ der Zentrifugen in Stahlröhren geschützt worden sei, über die man noch eine weitere Röhre installiert habe. Nur dieses äußerste Röhre sei mit Zement gefüllt worden, und auch hier habe man längst für Ersatz gesorgt, denn man habe darüber hinaus auch neue Generationen von Zentrifugen zur Verfügung.

Einfach erklärt, sollte man sich die große Lüge um den Schwerwasserreaktor in Arak wie einen Trick mit russischen Puppen vorstellen: Nur die äußere Puppe ist zuzementiert worden. In der innersten Puppe, sprich der innersten Stahlröhre, ist das Herzstück, die wieder verwertbare und einsatzbereite Zentrifuge, installiert.

Fazit: Tatsächlich missbraucht der Iran die Schwäche der transatlantischen Diplomatie und kann leicht den Ausstieg der Trump-Regierung aus dem Atomabkommen für das eigene Handeln verantwortlich machen. Selbstverständlich wäre es vernünftiger gewesen, wenn die USA ihre Politik besser mit Europa abgestimmt und koordiniert hätte. Der Iran setzt gegenwärtig Europa unter Druck und fordert mit seiner altbewährten Politik des Teile und Herrsche eine europäische Entsolidarisierung von den USA und Israel. Er drängt auf die tatsächliche Umgehung der Sanktionen und nicht nur eine symbolische. Die Schaffung eines Ersatzmarktes für Medikamente und eines quasi alternativen Markt jenseits der Sanktionen reichen dem Iran nicht aus, sondern will, dass Europa „alle Waren“ exportiert und importiert – und insbesonders, dass es iranisches Öl kauft. Europa müsse den ausgefallenen Handel gänzlich kompensieren.

Und an dieser Stelle fängt die iranische Erpressungsdiplomatie an. Wenn Europa eine solche Kompensation des sanktionsgeschädigten Handels nicht leiste, werde der Iran sein Atomprogramm wieder gänzlich hochfahren. Wenn diese Kompensation nicht innerhalb von zehn Tagen geschehe, werde der Iran sowohl die unbegrenzte Urananreicherung fortsetzen als auch erneut mit der Schwerwasserproduktion beginnen, von der Massenproduktion der Raketen ganz zu schweigen.

 

Alle Optionen für Iran offen

Damit sind alle Optionen für den Iran wieder offen: Er könnte in der Tat in absehbarer Zeit wieder das technologische Potential erreicht haben, auf der Grundlage des Urananreicherungsprogramms Atombomben zu bauen und mit Hilfe der Schwerwasserproduktion gar Plutoniumbomben zu produzieren. Dies lässt die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens als düster erscheinen: Atomares Wettrüsten, Geschäfte mit schmutzigen Bomben und ein Krieg, der Millionen Tote mit sich bringen könnte und den niemand haben will, würde damit näher rücken.

Es ist bekannt, dass ein Krieg nicht im Interesse Israels sein kann, denn Israel könnte zur Zielscheibe von international agierenden proiranischen Milizen in Syrien, im Irak, in Gaza und im Libanon werden. Die totalitäre islamistische Diktatur hat eine große Gruppe von inländischen Geiseln und außenpolitisch den Staat Israel zur Geisel ihrer erpresserischen Diplomatie genommen und droht, diese zu vernichten. Nach innen ist die religiöse Minderheit der Bahai-Gemeinschaft vom Völkermord bedroht und nach außen wird seit 40 Jahren mit der Vernichtung Israels gedroht.

Ali Khamenei ist strikt gegen einen Dialog mit den USA. Die Frage bleibt, ob Europa in der Lage sein wird, die gefährliche Aufrüstungspolitik des Iran zu stoppen und die Machenschaften dieser Diktatur in ihre Schranken zu weisen. Auch wenn ein Krieg nicht ausgeschlossen werden kann, ist das Gebot der allzu späten Stunde in der Tat eine koordinierte transatlantische Diplomatie, um einerseits einen Krieg zu vermeiden und andererseits der islamistischen Diktatur entschieden Einhalt zu gebieten.