Samstag, 28.03.2020 / 16:12 Uhr

Corona, Assad, die UN und der Krieg gegen die Bevölkerung

Von
Oliver M. Piecha

Die UNO-Gesundheitsorganisation setzt sich für weltweite medizinische Versorgung ein – es sei denn die Betroffenen sind Untertanen von Diktaturen.

 

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(Banner in Idlib, Quelle MEE)

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat eine große und edle Mission, und das sagt sie auch laut: „Wir setzen uns für eine bessere Gesundheit aller ein, überall.“ #HealthForAll lautet der muntere Hashtag dazu, aber das gilt, wie man etwas einschränken sollte, für diejenigen Menschen nur sehr bedingt, die das Schicksal getroffen hat, Untertanen von verantwortungslosen Diktaturen zu sein. Und es gilt nur mit Abstrichen für Menschen, die zumindest nominell rechtlose Untertanen von solchen Diktaturen sind, auch wenn sie dem direkten Zugriff der Gewaltherrscher entzogen sind.

Das trifft etwa auf die Menschen zu, die rund um das syrische Idlib leben; auch wenn Bashar Al-Assad sie hinter den Fronlinien direkt nur mit Luftangriffen attackieren kann, vermag er doch indirekt ihre Versorgung zu erschweren und medizinische Hilfe wie im Fall des Corona-Virus massiv zu verzögern.

Das ist natürlich ein elementarer Skandal, aber da es business as usal darstellt, interessiert es auch nicht wirklich.

Test-Kits von der UNO an Assad

Man könnte nun so naiv sein, und sich vorstellen, dass gerade die katastrophale Situation in Idlib im Fokus der internationalen Corona-Bekämpfung stehen müsste, ist das Gebiet mit rund drei Millionen Menschen doch übervölkert, die medizinische Infrastruktur von russisch-syrischen Luftschlägen weitgehend zerstört, und im Rahmen der letzten Offensive der Assad-Armee sind erneut bis zu einer Million Menschen erneut vertrieben worden.

Wer sich Assad nicht beugt, wird nicht, oder nur schlecht versorgt, das ist die so simple wie furchtbare Botschaft aus Damaskus.

Hunderttausende leben in Zelten oder überfüllten Unterkünften, es ist Winter und die Ernährung schlecht. Aus Perspektive des Corona-Virus klingt das alles wohl ziemlich ideal zum Wohlfühlen.

Was es bisher in Idlib nicht gab, sind Corona-Tests, oder Schutzausrüstung. Und Intensivstationen mit Beatmungsgeräten gibt es auch nur noch die, die die russische Luftwaffe noch nicht zerstört hat. Aber die WHO „arbeite“ daran, Ausrüstung für die Tests und Material in die Region zu bringen, konnte man in den letzten Tagen in einer Pressemeldung lesen.

Die breitgestreute Botschaft sollte offenbar beruhigen – auch um die in Idlib, Syrien, werde sich also gekümmert. Überhaupt ist die WHO natürlich überaus besorgt, wegen der Situation in idlib. Das sagt sie gerne. Die New York Times hat aber doch nachgefragt und vom Pressesprecher der WHO, Hedinn Halldorrson, die etwas irritierende Aussage erhalten, die Verzögerung bei der Versorgung Idlibs sei darauf zurückzuführen, dass die WHO zuerst syrischen Regierungsstellen Test-Kits geliefert habe – und zwar vor einem Monat. Das Gebiet um Idlib sei schließlich kein Staat und überhaupt sei eine Lieferung mit einem Monat Verzögerung für eine Konfliktzone „nicht schlecht“. Die Tests sollen jedenfalls diese Woche ankommen, wann genau und wie viele es sein würden, wusste der Mann von der WHO nicht.

Offenbar sind nun 300 Tests angekommen, weitere 20000 sollen folgen und man beginne nun „flächendeckend“ zu testen. Wie gesagt, in dem Gebiet um Idlib drängeln sich rund 3 Millionen Menschen und die einzige bisherige Testmöglichkeit war der umständliche Weg über türkische Einrichtungen. Auch der kurdisch kontrollierte Nordwesten Syriens wird von der UN in Sachen Corona bisher außen vor gelassen. Wer sich Assad nicht beugt, wird nicht, oder nur schlecht versorgt, das ist die so simple wie furchtbare Botschaft aus Damaskus. Und die UN ist dabei der verlängerte Arm des Regimes.

Assad-Versteherin als UN-Repräsentantin

Die UN hat eine lange, düstere Geschichte der Kooperation mit Assads Regime und der De-facto-Unterstützung seiner brutalen, dezidiert gegen die Bevölkerung gerichteten Kriegsführung. UN-Hilfsgelder finanzieren die Entourage von Assad, die UN hat seine Aushungerungskampagne gegen befreite Gebiete mitgetragen, neben der militärischen Hilfe Irans und Russlands hält die UN Assads Regime mit Hilfslieferungen am Leben.

Ohne die relative türkische Machtposition hätte die UN die Bevölkerung dort zweifellos auch schon der Gnade oder Ungnade Assads ausgeliefert.

Doch statt daraus wenigstens Zugeständnisse des Regimes zu erzwingen, gibt sich die UN auch noch unterwürfig – im Zweifel auf direkte Kosten einer gnadenlos ausgelieferten Bevölkerung. So hat Assad die Bemühungen der WHO bei der Polio-Impfung in nicht von ihm kontrollierten Gebieten behindert.

Neben der Unfähigkeit des Regimes und gravierenden Mängeln des syrischen Gesundheitssystems ist daher immer in Rechnung zu stellen, dass eine drohende humanitäre Katastrophe wie die Ausbreitung des Corona-Virus in Syrien von Assad zur Kriegsführung gegen die Bevölkerung genutzt wird. Die UN schaut dabei nur zu.

Gerade hat der UN-Sondervermittler Geir Pedersen eine berüchtigte Assad-Versteherin zu seiner Repräsentantin in Damaskus ernannt. Man baut Assad goldene Brücken und beugt sich seinen Wünschen: Auf Druck aus Damaskus und Moskau musste ein Grenzübergang mit dem Irak für humanitäre Hilfe geschlossen werden – Hilfslieferungen sollen nur noch via Damaskus abgewickelt werden. Damit kann er das von den Kurden kontrollierte Gebiet unter Druck setzen.

 

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(Bild: Rojava Information Centre)

 

Die Versorgung des Gebietes um Idlib läuft dagegen weiter über die Türkei, aber ohne die relative türkische Machtposition hätte die UN die Bevölkerung dort zweifellos auch schon der Gnade oder Ungnade Assads ausgeliefert.

Wie sehr dieses Nachgeben gegenüber Assads perfider Machtstrategie auf Kosten der Bevölkerung geschieht, zeigt zumal die Corona-Pandemie. In Assads Herrschaftsgebiet wurde einfach nicht getestet, also gab es bis vor Kurzem auch keine Krankheitsfälle. Ein unvergleichlicher Höhepunkt des Zynismus war dann die Äußerung des Gesundheitsministers in einem Fernsehinterview, es gebe keine Corona-Fälle in Syrien, aber die Armee habe viele Viren vernichtet – damit waren die Gegner Assads gemeint. Man steht zum Massenmord, den man begeht. Aber es ist ja auch egal, es hat keine Folgen.

Absperrungsmaßnahmen bloß Alibi

Mitte März wurden dann plötzlich Maßnahmen zur drastischen Einschränkung des öffentlichen Lebens verkündet, die Moscheen und Schulen wurden geschlossen. Am Sonntag wurde ein erster Corona-Fall öffentlich bestätigt, nun wurde die Grenze zum Libanon dicht gemacht und eine nächtliche Ausgangsperre verhängt. Tagsüber stehen die Menschen aber weiterhin für ihre Rationen und für Brot an.

Dass Corona längst in Syrien angekommen war, ist dabei nicht sonderlich überraschend. Assad hängt am Tropf der Versorgung aus dem Iran, alleine schon die schiitischen Milizionäre sind hier ideale Verbeiter des Virus. In Pakistan wurden solche Rückkehrer aus Syrien positiv getestet.

Gleichzeitig konnte und kann sich Assad keine völlige Abnabelung von der Virenschleuder Iran erlauben, auch die Grenzschließungen sind mehr symbolisch zu verstehen – dafür steht alleine schon der Schmuggel in den Libanon, der ja zu einem Großteil von der Elite seiner Armee selbst organisiert wird. Grenzschließungen bedeuten im Nahen Osten einfach nur Hochkonjunktur für Schmuggler und steigende Bestechungsgelder.

 

Artikel zuerst erschienen auf Mena-Watch