Dienstag, 07.03.2023 / 07:31 Uhr

Die feministische Revolution im Iran schreitet unaufhaltsam voran

Von
Gastbeitrag von Resa Memarnia

Demonstrantin in Berlin im Herbst 2022, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Das Regime in Teheran fürchtet angesichts der Massenproteste im Iran um seine Existenz und versucht, Zwietracht in der Opposition zu sähen.

 

Vier Frauen und vier Männer, die zu den bekanntesten iranischen Prominenten weltweit zählen: Shirin Ebadi als Friedensnobelpreisträgerin; Masih Alinejad als Menschenrechtsaktivistin; Golshifteh Farahani als Schauspielerin und neu berufenes Jurymitglied der Berlinale; Ladan Boroumand als Menschenrechtlerin, Abdullah Mohtadi von der kurdischen Komalah-Partei; Hamed Esmaeilion, Aktivist, dessen Aufruf in Berlin im Oktober 2022 rund 100.000 Menschen folgten; Ali Karimi, ehemaliger Fußballstar. Und Reza Pahlavi, der zweifelsfrei der populärste politische Akteur der iranischen Gegenwart ist. Diese acht Personen haben ein Bündnis gegründet, um die Stimme des iranischen Freiheitskampfes über den Globus zu tragen.

Die Ausstrahlung dieses Bündnisses wirkt weit über die Grenzen Irans hinaus. Endlich schließen sich freiheitliche Iraner*innen zusammen und zeigen der Weltöffentlichkeit ein anderes Gesicht als jenes von bärtigen und finster dreinblickenden Männern, die seit Bestehen der Islamischen Republik das Bild Irans geprägt haben. Das neue Bündnis hingegen repräsentiert symbolisch die Überwindung islamischer Herrschaft, die mit der Gründung der Islamischen Republik 1979 die politische Weltbühne der Neuzeit betreten hat. Heute wird der islamische Gottesstaat durch die feministische Revolution im Iran zu Grabe getragen. Die zentrale Parole „zan, zendegi, azadi“ ist weltweit sichtbar und wird gewissermaßen zur Popkultur. Superstars wie Coldplay sprechen auf ihren Konzerten mit ihren Fans über die feministische Revolution. Der Revolutionssong „baraye“ gewinnt einen Grammy für soziales Engagement. Bei der Berlinale gibt es die längsten standing-ovations für die kraftvolle Rede von Golshifte Farahani. Die Liste mit weiteren Prominenten und Solidaritätsbekundugen ist lang.

Die Angst der Mullahs

Entsprechend ist die Angst bei den Mullahs und ihren Schergen in diesen Tagen besonders groß und die Versuche, nach bekanntem Muster Zwietracht unter den Iranern zu säen, werden immer grotesker. Jüngst wurden Bilder im iranischen Staatsfernsehen präsentiert, die eine Demonstration von Exil-Iraner*innen zeigten, auf denen das Bild eines ehemaligen Geheimdienstoffiziers hochgehalten wurde. Der Mann war ein hochrangiger Offizier beim Geheimdienst unter dem letzten Kaiser Irans. Der nach der Revolution 1979 ins Ausland geflohene Offizier galt als unsichtbarer Mann, bis er jüngst wie Kai aus der Kiste auf einer Protestkundgebung gegen die Islamische Republik auftauchte und dessen Bild plötzlich als Plakat hochgehalten wurde. Die Aktion war wie viele andere Aktivitäten des Mullahstaates ziemlich plump und viel zu durchsichtig, als dass sie die neu entstandene Einheit der Iraner*innen gefährden könnte. Auch bei der Großdemonstration in Berlin im Oktober 2022 haben einige wenige Regimeanhänger versucht, mit Beleidigungen und tätlichen Angriffen Zweifel zu schüren und die Einheit der Iraner*innen zu diskreditieren, was ihnen aber nicht gelang.

Die Mullahs und ihre islamischen Vordenker entdecken in diesen Tagen auch plötzlich ihre Zuneigung für demokratische Spielregeln: das Bündnis sei nicht legitimiert und könne daher nicht als iranische Repräsentanten gelten. Als ob im Gottesstaat eine demokratische Legitimation, etwa durch freie Wahlen, überhaupt denkbar wäre. Oder die ausgelutschten Geschichten, dass die Akteure der Revolution in Wahrheit durch Appeasementpolitik fremder Mächte – USA, Großbritannien, Deutschland… - gelenkt seien. Gähn. Diese altbackenen Verschwörungsmythen kommen auch deshalb nicht mehr an, weil die iranische Nation heute bereit ist, selber die Verantwortung für politische Prozesse zu übernehmen, auch für historische Fehler wie die Revolution von 1979.

Heterogene Diaspora

Die Versuche, die Einheit der Iraner*innen durch Desinformation – fake news – zu schwächen, laufen weitgehend ins Leere, auch weil iranische Aktivist*innen mittlerweile weltweit operieren und die erfundenen Horrorgeschichten entlarven. Die iranische Diaspora ist sehr heterogen, und insofern gibt es selbstverständlich auch Kritik gegen das Bündnis. Aber heute sind Iraner*innen bereit, aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig zuzuhören und um den gemeinsamen Weg miteinander zu streiten. Vor allem spüren heute alle die Notwendigkeit der Einheit, um die Islamische Republik zu überwinden.

Natürlich wird die Schlacht gegen die Islamische Republik nur innerhalb Irans, auf den Straßen und Plätzen der Städte ausgetragen und zum Erfolg kommen. All die Gesten aus dem Ausland machen aber den Menschen im Iran viel Mut. Und große Umbrüche brechen immer dann aus, wenn es Grund zur Annahme gibt, dass sich etwas an den Verhältnissen ändern könnte.

Die größte Veränderung ist heute unter Iraner*innen allgegenwärtig. Wir Iraner*innen begegnen uns heute herzlicher und freundlicher denn je. Heut sind wir bereit, die Hand zu reichen und auch die Fehler der Vergangenheit einander zu verzeihen. Heute lächeln wir uns zu und weinen miteinander und sind in all unserer Verschiedenheit vereint mit dem Ziel, gemeinsam ein freies Iran zu errichten. Zan, zendegi, azadi!

Resa Memarnia, geb. 1976 in Teheran, ist Politikwissenschaftler und lebt in Berlin.