Freitag, 17.03.2023 / 22:38 Uhr

Immer mehr Menschen fliehen aus Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Bildquelle: Pixabay

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Asylbewerber, die vor der Hamas aus dem Gazastreifen nach Europa flüchten, stark gestiegen.

 

Die Palästinenser, die aus dem Gazastreifen kommen, hoffen, in Europa nicht nur einen geschützten Ort zu finden, an dem sie vor den Drangsalierungen durch die Hamas geschützt sind, sondern auch der wirtschaftlichen Krise ihrer Heimat zu entkommen und Sicherheit finden zu können – eine Hoffnung, die allzu oft enttäuscht wird.

So berichten viele davon, dass die Asylverfahren in Europa von Land zu Land verschieden sind und bei der Prüfung der Anträge nicht eindeutig vorgegangen wird. Zugleich erhalten Hunderte Asylbewerber einen Ablehnungsbescheid mit der Begründung, ihr Herkunftsort habe nicht den Status eines Staates, weshalb sie als »staatenlos« oder »heimatlos« einzustufen seien. Wieder andere erzählen, ihr Antrag sei ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden.

Der 32-jährige Ramzi beschreibt seine schlechte Situation in Europa, nachdem er sich entschlossen hatte, den Gazastreifen zu verlassen. Aufgrund der großen Anzahl an Krisen, die dort herrsche sowie dem völligen Fehlen von Rechtssicherheit und sozialer Absicherung sei ihm nichts anderes übriggeblieben, als in Europa Asyl zu suchen: »Wir suchten das Europa, von dem wir träumten, dass es uns ein anständiges Leben und einen sicheren Ort bieten würde, den wir in Gaza verloren hatten, und kamen schließlich in Deutschland an«, wo man ihm erklärt habe, er sei »heimatlos«.

Ramzi erzählt, die deutschen Behörden hätten seinen Antrag unter dem Vorwand abgelehnt, die Situation in seinem Land sei sicher, während der Staat ihm zugleich beschied, dass er ohne Heimat sei und kein Land habe. Mittlerweile wurde ihm mitgeteilt, dass er abgeschoben werden soll, sagt Ramzi und weist darauf hin, dass es Hunderte Asylbewerber gebe, denen es genauso gehe und nicht wissen, wohin sie nun nach all dem Leid, das sie bei ihrer Flucht und Ankunft in Europa erfahren haben, kommen werden.

Warten auf Aufenthaltsrecht 

In einer Erstaufnahmestelle in der belgischen Hauptstadt Brüssel erzählt der 28-jährige Hassan Shublak, er sei aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen, die wegen der Herrschaft der Hamas und der aufgrund des Terrors verhängten israelischen Blockade aus dem Gazastreifen geflohen und habe sich auf den Weg Richtung Europa gemacht.

Nach einer zweimonatigen, beschwerlichen Reise sei er in Brüssel angekommen und habe dort »die Prozedur der Identifikation und des Fingerabdrucknehmens im ersten Aufnahmezentrum abgeschlossen«. Danach habe er erfahren, dass es zwei Monate dauern würde, bis er einen Termin für sein Erstgespräch in Anspruch nehmen könne. »Sie sagten mir, ich solle gehen und zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs wiederkommen, und nein, es gäbe keinen Platz zum Schlafen außer auf der Straße. Ist das Europa?«

Auch wenn er der Ansicht ist, es wäre immer noch besser, nach Europa zu kommen, als in Gaza unter der Herrschaft der Hamas und der Blockade Israels zu leben, erweckt die Behandlung, die er in Europa erfahren musste, doch große Wut in Hassan, der meint, die schlimmste Zeit sei die des langen Wartens auf eine Antwort des Staates auf seinen Asylantrag.

Das sei nicht nur in Belgien der Fall, sondern in allen europäischen Ländern, wo Palästinenser darunter leiden, dass sie ungeachtet der internationalen Abkommen, die von allen dieser Staaten unterzeichnet wurden und verbindlich sind, immer noch einen Sonderstatus haben: Wir sprechen hier von Flüchtlingen im Allgemeinen, die aus ihren Ländern entweder vor Krieg, Armut oder Tyrannei geflohen sind. Was die palästinensischen Flüchtlinge betrifft, so sind sie in einer besonderen Situation, weil sie keinen Staat haben und daher auch keine »staatliche Verfolgung« geltend machen können.

Wenn zum Beispiel ein Palästinenser aus dem Gazastreifen kommt, gilt er dann als ›aus Palästina weggegangen‹? Oder hat er dieses geografische Gebiet verlassen, eben weil die politische Situation dort so unklar ist und es keinen souveränen Staat gibt? Wegen dieser Fragen befinden sich Palästinenser weltweit in einer Ausnahmesituation, und die europäischen Länder können den Asylantrag des Palästinensers unter humanitären Gesichtspunkten prüfen, ohne ihn unter politischen Aspekten zu behandeln, wie es im »Wiener Abkommen« vorgesehen ist.

Palästinenser erhalten also in der Regel kein politisches Asyl, sondern nur eine humanitär begründete Aufenthaltsgenehmigung, da sie aus einem unklar definierten Herkunftsgebiet kommen, das nach europäischen Definitionen keinen Staat darstellt, was bedeutet, dass sie anders behandelt werden als Flüchtlinge, die zuvor Bewohner eines souveränen Staates waren.

Trotzdem können sie nun ihre Meinung frei äußern, und diese Freiheit ist qua Verfassung garantiert und geschützt. So hat eine große Anzahl von Aktivisten, die aus Gaza geflohen sind, inzwischen Profile und Seiten auf Kommunikationsplattformen erstellt und begonnen, ihre Stimme gegen die Hamas-Diktatur zu äußern, ohne Angst vor Verfolgung haben zu müssen, sagt der eingangs zitierte Ramzi: »In Belgien kann ich endlich schreiben und meine Stimme erheben und mich gegen die Hamas stellen, ohne um mein Leben zu fürchten oder von der Hamas verhaftet zu werden.«

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch