Das Verbot jüdischer Sportvereine in der Sowjetunion vor 95 Jahren

Konterrevolutionäre zionistische Hydra

Seite 2 – »Unsolides, umherirrendes Volk«

 

Bei weitem nicht jeder Jude und jede Jüdin, die sich Bar Kochba Berlin, Hakoah Wien, der Schweizer Jüdischen Turnerschaft oder anderen frühzionistischen Sportvereinen anschloss, wollte »Muskeljude« werden, um sich für das Leben als Pionier beim Aufbau eines Staates zu stählen. Die meisten wollten bloß dem alltäglichen und stetig schlimmer werdenden Antisemitismus ihrer Landsleute wenigstens beim Sporttreiben entkommen. Die Maccabi-Bewegung wuchs derweil in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts immer weiter an und gewann auch im stark antisemitischen zaristischen Russland immer mehr Anhänger.

Nach der Februar-Revolution 1917 versuchte die provisorische Regierung um Alexander Kerenski, die konkurrierenden Bolschewisten um Lenin als »jüdische Verschwörer« zu dämonisieren. Nach der Oktoberrevolution und im Bürgerkrieg fielen mehr als 100 000 Juden und Jüdinnen Pogromen zum Opfer, die zumeist von Konterrevolutionären unter dem Vorwand verübt wurden, die Rote Armee stünde wegen deren Kommandanten Leo Trotzki unter »jüdischem Einfluss«. Es gab auch vereinzelte Pogrome der Roten Armee, die ebenfalls durch antisemitische Verschwörungstheorien ausgelöst wurden.

Nachdem die Rote Armee im Bürgerkrieg gesiegt und Lenin seine Diktatur der KP installiert hatte, begannen die Kommunisten gleich­zeitig mehrere Kampagnen gegen den Antisemitismus und gegen den Zionismus. Letzteren betrachteten sie als konterrevolutionäre bürgerliche Bewegung, die zudem die erwünschte völlige Kontrolle der Zentralregierung über alle Minderheiten und Gebiete unterlief. Schritt für Schritt setzten sich die Antizionisten, darunter nicht wenige Juden, in der ­KPdSU durch und man begann damit, jüdische Organisationen auf Linie zu bringen, durch parteinahe Vereine zu ersetzen oder zu verbieten.

Auf dem 10. Parteikongress der KP im Jahre 1921 bezeichnete Stalin die Juden als »unsolides, umherirrendes Volk« und gab damit einen Ausblick auf die antijüdischen »Säuberungen«, die er ab Ende der zwanziger Jahre vornehmen lassen würde. Bis 1923 ließ man den Maccabi-Dachverband noch in Ruhe, doch mit dem steigenden Bedürfnis der KP nach totaler Kontrolle wurde die Lage jüdischer und zionistischer Organisa­tionen immer prekärer. Selbst nach dem Verbot von Maccabi in der Sowjetunion und sogar während des stalinistischen Terrors war die politische Führung aber darauf bedacht, wenigstens nach außen Antisemitismus weit von sich zu weisen. Wer Jude und sportlich talentiert war, konnte mit Förderung in sowjetischen Sportverbänden rechnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übersiedelte der Sitz der Maccabi World Union von London nach ­Israel, wo bis heute alle vier Jahre die Maccabi-Spiele stattfinden, bei der die Besten der mittlerweile mehr als 400 000 Mitglieder der Maccabi World Union aus mehr als 40 Ländern gegeneinander antreten. Nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus haben Maccabi-Vereine auch in Osteuropa und Russland langsam wieder Fuß gefasst.